Auf einem Schild las die Autorin Rebecca Maria Salentin, dass sie gerade auf dem EB, dem Fernwanderweg Eisenach – Budapest, stand. Die Wahlleipzigerin war sofort begeistert und beschloss ihren vierzigsten Geburtstag auf ihm zu erleben. Sie nennt diese Idee eine Wutzidee, ein Begriff für ein absurdes Vorhaben. Für ihre Freunde muss es so geklungen haben, denn sie kennen ihre Rebecca: unsportlich, ängstlich in Wäldern und bei Gewitter. Wandern mag sie nicht und bergauf schon einmal gar nicht.
Viele Berge liegen auf ihrem Weg, manche Strecken sind nur kletternd zu überwinden. Gewitter, Starkregen, Schnee, Hitze und Trockenheit sind zeitweise ihre Begleiter aber auch unberührte Natur und geschundene Füße. Freunde kommen und begleiten sie für ein paar Tage. Oft wandert sie alleine, reflektiert, was war gut, was weniger und die schwierigste Frage überhaupt, was soll aus ihrem Leben werden? Denn am Tag ihrer Abreise liegt ihre gesamte Existenz buchstäblich in Scherben. Alles, was sie besitzt, trägt sie im Rucksack. Für die nächsten Monate heißt die Devise, Flucht nach vorn, alles auf Anfang setzen.
„Ich wollte also mutterseelenallein unberührte Natur durchschreiten und dort zelten, wo Braunbären und Wolfsrudel leben.“ (S. 24)
„Der sandige Untergrund dämpft meine Schritte, das Stakkato eines fleißigen Spechts tönt durch die Wipfel, die Luft duftet nach Harz und Fichtennadeln. Sonnenlicht fällt tänzelnd durch den dichten Kiefernwald, lässt die Stämme rot glänzen und bringt die Mooskissen zum Leuchten. Mein Zelt schlage ich am Waldrand im Schatten einer alten Scheune auf.“ (S. 121)
In dieser harmonischen Sprache erzählt die Autorin von ihrer Reise durch fünf Länder und zu sich selbst.
Rebecca Salentin darf man eine Lebenskünstlerin nennen. Wer so viel durch- beziehungsweise mitgemacht und geleistet hat, mal mit Glück, mit Fleiß oder Hilfe von Freunden, verdient den höchsten Respekt. Möglicherweise kann man ihr Leben mit dem Bewältigen des EB vergleichen. Nach vielen Aufs und Abs erreicht sie ihr Ziel, indem sie 2.700 km zu Fuß zurücklegt und mindestens 75.000 Höhenmeter überwindet. Am Tag ihrer Ankunft haben dies nur 13 Menschen in einem Durchgang geschafft.
In vielen Rückblenden und Gesprächen mit Freundinnen schenkt die sympathische Autorin Einblicke in ihr Privatleben. Diese Offenheit spricht an, nimmt mit auf ein kurzweiliges Leseabenteuer, wie es nicht schöner, anrührender und zugleich auch lehrreicher sein kann. Und am Ende bleibt die Gewissheit, Klub Drushba alias der Klub der Freunde ist der Motor, der bei Pannen antreibt oder Feste verschönert. Denn das Leben geht weiter. So oder so.
Der wunderbare Reisebericht ist für alle, die die Weisheit der Fortbewegung begriffen haben.
Rebecca Maria Salentin: Klub Drushba: Zu Fuß auf dem Weg der Freundschaft von Eisenach bis Budapest.
Verlag Voland & Quist, Juni 2021.
320 Seiten, Taschenbuch, 20,00 Euro.
Diese Rezension wurde verfasst von Sabine Bovenkerk-Müller.