Martha Wells: Killerbot-Reihe 02: Der Netzwerkeffekt

Es ist schon eine Crux – wenn einmal etwas schief geht, dann aber immer auch richtig. Früher war die Existenz einfach – ich war ein Bot , der für die Sicherheit seiner Klienten zuständig war, ganz früher sagte man dazu wohl Leibwächter. Dann wurde mein Betriebssystem gehackt und ich bekam einen freien Willen. Seitdem fand ich etwas, das ich nie kannte – Freunde. Fifo, die KI eines Transportschiffs etwa, die mir half, mein Joch des absolutem Gehorsams abzuwerfen oder Menschen, frühere Klienten, die in mir nicht mehr nur eine Maschine sehen – sehr verstörend, das kann ich ihnen sagen. Nun verbringe ich meine Zeit damit, die Familie, soll gerade heißen, die Tochter meiner Ex-Klientin und weitere Verwandtschaft zu schützen und das ist auch dringend notwendig.

Es beginnt damit, dass wir – also die Tochter, ein paar weitere Verwandte und meine Wenigkeit – an Bord eines kleinen Forschungsraumschiffs ins Heimatsystem zurückkehren. Dumm dabei, dass wir von einem anderen deutlich größeren Raumschiff verfolgt und angegriffen werden. Noch ungeschickter, dass wir gefangen genommen und entführt werden. Ganz verstörend dann, dass es sich bei unserem Entführer um Fifo handelt und wir in der Folge dann auf veränderte Menschen und Alienreststoffe treffen. Was nur steckt hinter dem Kidnapping, wie passen die fremdgelenkten Menschen ins Bild und wann werde ich endlich wieder Zeit finden, meine geliebten Weltraumopern anzuschauen – geht doch die Rettung von meinen Freunden, ja, ich habe welche, und den Besatzungsmitgliedern Fifos klar vor …

Martha Wells hat mit ihren Novellen um den Killerbot (Englisch Murderbot) so gut wie jeden bekannten SF-Preis abgeräumt. Heyne hat die Geschichten in einem Band gesammelt unter dem Titel Tagebuch eines Killerbots aufgelegt und auch bei uns, an der Kasse der Buchhandlungen, punkten können. Nun also gibt es den ersten eigenständigen Roman um unseren liebenswerte Killerbot, der eigentlich nur seine Serien anschauen und eine ruhige Kugel schieben will. Statt dessen gilt es einmal mehr seine Menschen aus dem dicksten Schlamassel herauszuholen.

Zwei Dinge zeichnen die Reihe, die die Autorin dieses Jahr im Original mit einem weiteren Roman fortsetzt, besonders aus. Zum Einen präsentiert sie uns eine realistische Zukunftsversion. Giga-Konzerne beherrschen die bekannte Galaxis, das Gewinnstreben steht über allem, Menschen werden als Ressourcen gesehen und entsprechend, als mehr oder minder bessere Sklaven behandelt. Das ist weit von den Zukunftsvisionen a la Star Wars aber auch Star Trek entfernt, wäre, bei entsprechenden technischen Voraussetzungen so aber durchaus vorstellbar. Dazu gesellt sich die besondere Art, wie uns die Autorin ihre Geschichten präsentiert. Die Sichtweise eines „befreiten“ Bots ist schon ungewöhnlich. Der aus den lakonischen Bemerkungen des Bots triefende Sarkasmus, die Selbstironie und der unterschwellige Humor sorgen dann für einen Protagonisten, der uns nicht nur bestens unterhält und in die Handlung zieht, sondern uns, ob der zu Tage tretenden Menschlichkeit – ein Widerspruch in sich selbst – ans Herz wächst. Auf diesen Elementen aufbauend, schildert Wells uns ihre abenteuerliche Geschichte, die das Beste klassischen Space Operas mit unterschwelliger Gesellschaftskritik verbindet. Das Gemisch liest sich wundbar flüssig und spannend, auch wenn der Roman vielleicht ein wenig zu lang geraten ist.

Alles in allem reiht sich die Autorin mit ihrer Schöpfung in die Reihe aktueller Verfasser (James Corey, John Scalzi etc.) ein, die die SF zwar nicht neu erfinden oder gänzlich zu unbekannten Ufern führen, die aber in der Nachfolge von klassischen Autoren wie Heinlein, Niven oder Asimov uns packende Abenteuergeschichten auf fremden Planeten offerieren.

Martha Wells: Killerbot-Reihe 02: Der Netzwerkeffekt.
Heyne, Februar 2021.
480 Seiten, Taschenbuch, 14,99 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Carsten Kuhr.

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