John von Düffel: Die Wütenden und die Schuldigen

Corona ist nun auch in der Literatur angekommen. John von Düffels neuer Roman „Die Wütenden und die Schuldigen“ spielt im März 2020 – also kommen Masken und Abstandsgebote zumindest am Rande vor.

Der 1966 geborene Autor, der Professor für szenisches Schreiben an der Berliner Universität der Künste ist und als Dramaturg am Deutschen Theater Berlin arbeitet, konzentriert sich auf die Mitglieder einer Familie. Sie gehören zu drei verschiedenen Generationen und befinden sich an unterschiedlichen Orten. Da ist der sterbenskranke Richard, ein Pfarrer, den nur noch wenige Tage vom Tod trennen. Da ist seine labile Tochter Maria, die sich zu einem älteren Rabbi hingezogen fühlt, und da ist deren Sohn Jacob, der zwischen Ex-Freundin, drogendealendem Kumpel und exzentrischer Kunst-Professorin durchs Leben schlingert.

​John von Düffel erweist sich als genauer Beobachter. Alle Figuren wirken gleich glaubwürdig, obwohl sie völlig unterschiedlich sind und sich in komplett verschiedenen Lebenswelten befinden.

Weniger überzeugend ist der Überbau, den der Autor seinem Roman schon im Titel gibt. Zwar kommt noch einen psychisch kranker Sohn des Pfarrers vor, Holger, der offenbar in einem Heim lebt und mit dessen Person sich eine Art Schuld verbindet, die an der Familie haftet – aber dieser Zusammenhang bleibt letztlich diffus. Gleiches gilt für verstorbene Familienmitglieder, die als Nebenfiguren erwähnt werden.

​Dass die genannten Hauptfiguren sich nicht treffen, ist möglicherweise eine Schwachstelle. So zerfällt der Roman in einzelne Handlungsstränge, die am Ende nicht zusammengeführt werden. Aber vielleicht ist genau das ja die zentrale Aussage gemäß dem Klappentext: „Wir leben und verstehen unser Leben nicht. Wir wissen nichts, weder von uns noch von anderen.“

John von Düffel: Die Wütenden und die Schuldigen.
DuMont Buchverlag, Juli 2021.
320 Seiten, Gebundene Ausgabe, 22,00 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Andreas Schröter.

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