Helen Frances Paris: Das Fundbüro der verlorenen Träume

Eine versponnene, etwas skurrile Hauptfigur und eine ungewöhnliche Plotidee, das verspricht dieser Roman. Dazu kommt ein wunderschöner, bildhafter und berührender Schreibstil, mit humorigen Untertönen, ohne dabei ins alberne abzugleiten. Doch leider kollidiert dieser Stil mit einer etwas zäh verlaufenden Handlung.

Die junge Dot lebt völlig zurückgezogen, seit ihr so sehr geliebter Vater starb. Ihre ältere Schwester Philippa dominiert und organisiert nicht nur vieles in Dots Leben, sondern auch die Unterbringung und die Besuche bei der dementen Mutter. Dot arbeitet in einem Londoner Fundbüro und fühlt sich dort, zwischen all den verlorenen Gegenständen mit ihren eigenen Geschichten, sehr wohl. Dabei bricht es ihr das Herz, wenn Fundsachen, die bis Ablauf der Aufbewahrungsfrist nicht abgeholt wurden, versteigert oder verschrottet werden.

Als ein älterer Mann einen Verlust meldet, möchte sie so gerne die verlorene Tasche für ihn finden. Das und viele weitere Umstände, wie ein schmieriger Vorgesetzter, der ihr auf die Pelle rückt, führen dazu, dass sie sich immer mehr im Untergrund des Fundbüros verkriecht und dabei Gefahr läuft, in ihrer Fantasiewelt zu versinken. Doch mit Hilfe von ihrer Kollegin, ihrer Schwester und eines Arztes aus dem Pflegeheim ihrer Mutter gelingt ihr die  Entwicklung und Befreiung.

All das ist wie gesagt in schönen, anrührenden Worten und Bildern erzählt, die Metaphern und Vergleiche, die Beschreibungen von Dots Fettnäpfchen sind so plastisch und unterhaltsam, dass man gerne weiterliest. Andererseits ziehen sich manche Szenen doch etwas zu sehr in die Länge, geschieht seitenlang wenig Neues, wenig, dass die Handlung oder die Entwicklung der Protagonistin voranbringt. Dazu kommt die Verwendung allzu bekannter Versatzstücke: verklemmte Hauptfigur, dominante Schwester, demente Mutter, hippe Kollegin mit Erweckungsabsicht, aufdringlicher Chef und vieles mehr.

So bin ich hin und hergerissen zwischen der Freude über den empathischen Schreibstil und der Enttäuschung über die abgedroschenen Zutaten zu der Geschichte. Dabei wächst Dot beim Lesen wirklich ans Herz und man wünscht ihr, dass sie ihr Glück findet.

Helen Frances Paris: Das Fundbüro der verlorenen Träume.
Aus dem Englischen übersetzt von Sophie Zeitz-Ventura.
dtv, März 2022.
368 Seiten, Taschenbuch, 15,95 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Renate Müller.

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