Hallgrimur Helgason: Zehn Tipps, das Morden zu beenden und mit dem Abwasch zu beginnen

Gestatten: Toxic, also eigentlich Tomislav Bokšić, gebürtiger Kroate, von Beruf Profikiller bei der kroatischen Mafia. Bisher hat er 66 Aufträge erfolgreich ausgeführt. Na gut, Nummer 66 hatte einen Schönheitsfehler, der Typ war vom FBI. Deswegen ist Toxic jetzt auf der Flucht. Beim Check-in am Flughafen entgeht er nur knapp einer Verhaftung, indem er, professionell, aber ungeplant und deswegen recht riskant, die Identität von Nummer 67 „übernimmt“. Dumm nur, dass sich hinter Nummer 67 der Prediger David Friendly verbirgt, welcher auf dem Weg nach Reykjavik ist. Dort wird er, also Father Friendly, schon erwartet, er ist in eine Fernsehshow eingeladen. Toxic spielt mit, er lebt für einige Tage bei einem isländischen Priester und dessen Frau und tritt mehrmals in der Show auf. Die Tochter der Familie erweist sich als „Tag 1“-Frau: „Wenn sie die einzige Frau in unserer Einheit wäre und wir einen Monat in den Bergen festsäßen, würde ich am Tag 1 anfangen, vor ihr zu träumen.“ (S. 47)

Doch schließlich fliegt die Priester-Tarnung auf und die „Balkanbestie“, wie er sich selbst oft nennt, ist wieder auf der Flucht. Toxic wird in den nächsten Tagen und Wochen Gelegenheit haben, sein Leben an sich vorüberziehen zu lassen. Ganz nebenbei bekommt er einen neuen Namen und es erfolgt die Wandlung vom Saulus zum Paulus, und das auf recht unkonventionelle Weise. Mehr soll vom Inhalt hier nicht verraten werden, höchstens, dass mich das Ende etwas irritiert hat, aber das ist ja nichts Schlechtes.

Auf den ersten Blick erscheint die Geschichte total abgefahren und witzig. Fast im Stakkato wechseln Szenen und Orte, Toxic schlittert von einer schrägen Situation in die nächste, kann sich immer irgendwie rauswinden. Der Held gibt den Macho, prahlt mit seinen „Heldentaten“ und blödelt sich mit coolen Sprüchen durch sein Leben:

„Am Ausgang des Midtown-Tunnels hielt ich ein Taxi an. Als der Taxifahrer sich nicht gerade begeistert davon zeigte, dass meine Klamotten klatschnass waren, holte ich meine Waffe heraus und trocknete sie damit in Sekundenschnelle.“ (S.14)

Dabei wirkt die Sprache nie bemüht, sondern charakterisiert den Protagonisten als arroganten Großkotz.

Doch immer wieder bröckelt die Fassade. Toxic wurde 1971 geboren und war gerade 20, als in seinem Heimatland der Krieg gegen die Serben ausbrach. Gemeinsam mit Vater und Bruder zog er an die Front. Er war der Einzige der drei, der überlebte. Helgason gelingt es, Coolness mit Bitterkeit zu färben. Der schwarze Humor ist die Verdrängungsstrategie eines im Krieg Verlorenen. Wenn Toxic sich an Vater und Bruder und an die Kämpfe in seinem Heimatland erinnert, misslingt ihm die lockere Zunge und er zeigt den Menschen hinter dem Killer. Deswegen nehme ich dem Autor auch den Wandlungsprozess seines Protagonisten ab.

Fazit: Ich habe eine durchgeknallt witzige Geschichte mit Tiefgang gelesen, die mehr bietet als ein Feuerwerk an Wortwitz und ein bisschen Abwasch.

Hallgrimur Helgason: Zehn Tipps, das Morden zu beenden und mit dem Abwasch zu beginnen.
Aus dem Isländischen übersetzt von Kristof Magnusson.
Tropen, Juni 2021.
272 Seiten, Taschenbuch, 11,00 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Jana Jordan.

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