Alma M. Karlin: Einsame Weltreise

Als Alma M. Karlin im November 1919 mit wenig Geld zu ihrer langen Reise aufbricht, liegt die Welt noch in den Nachwehen des vergangenen Krieges. Doch ein unbändiger Wissensdurst und Forscherinnendrang macht es ihr unmöglich, in der Heimat zu bleiben.

Ein heimtückisches Übel hat sie ereilt, nachdem sie ihren ersten Roman verkauft hatte: „[Ich] entwickelte Anzeichen von Größenwahn, sah mich schon als modernen Columbus eine neue Welt entdecken und traf ernstliche Vorbereitungen zur Eroberungsfahrt.“

Ihr erstes Ziel ist Japan, das sie allerdings – der widrigen Umstände wegen – erst nach einem rund zweijährigen Umweg über den amerikanischen Kontinent erreicht. Auf diesem ersten Abschnitt ihrer Reise findet sie zwar Bekannte, mit denen sie sich gut versteht, und vor allem mit dem Botaniker Herrn G. unternimmt sie zahlreiche Landausflüge, bei denen sie Land, Leute, Tiere und Pflanzen entdeckt, aber letztendlich trennen sich die Wege und Alma landet einsam – nur begleitet von ihrer treuen Schreibmaschine Erika – und abgebrannt in Peru. Doch auch nach Schmutz, Armut, Verzweiflung, Krankheit und der gefühlt fortwährenden Bedrängung und sexuellen Belästigung durch Männer, kommt es ihr nicht ernsthaft in den Sinn, ihre Entdeckungsreise abzubrechen.

Denn sie hat etwas gelernt: „Meine Erfahrungen hatten mich gewitzigt. Besser war’s einer möglichen Gefahr auszuweichen, als sich in einen Kampf mit irgend einem sinnlich erregten Manntier einzulassen.“

Zwar unternimmt sie weiterhin ihre Wanderungen durch die fremden Landschaften und ihre Spaziergänge durch die Hintergässchen der Städte, ist aber immer auf der Hut.

Ganz nah kommt sie den Menschen in den ihr fremden Ländern und taucht tief in deren Alltag ein. Viele öffnen sich ihr und erzählen von ihrem Leben und ihrer Kultur. Alma M. Karlin saugt alles auf und schreibt es in ihrer ganz eigenen bildhaften und (selbst-) ironischen Sprache nieder, über die ich mich immer wieder köstlich amüsiert habe. So kommt sie an einem Tempel vorüber, „der wie eine wissende alte Steinunke am Wegrand sitzt …“ oder berichtet von einer Gegend, die „öde bis zur Mundverstauchung durch Gähnen“ war.

Die Menge an Eindrücken hat mich manchmal atemlos zurückgelassen und ihren Lehrauftrag hat sie bei mir auf jeden Fall erfüllt: Die spannende Reise mit einer Zeitzeugin in die Vergangenheit und in andere Kulturen hat mir weit mehr als eine neue Erkenntnis gebracht. Ich habe mit ihr gelitten, geschmunzelt und die Welt durch die Augen dieser mutigen, entschlossenen und klugen Frau entdeckt, die nicht nur damals etwas Besonderes war. Manchmal habe ich allerdings angesichts der Gefahren, denen sie sich ausgesetzt hat, auch an ihrem Verstand und ihrer Vernunft gezweifelt.

Wichtig ist ihr vor allem ihre Unabhängigkeit und Eigenständigkeit. Nie würde sie sich von einem Mann aushalten lassen. Nein, sie möchte auf ihren eigenen Füßen stehen und verdient sich ihren Unterhalt und ihre Fahrtkosten mit Sprachunterricht (ihre Sprachkenntnisse sind einfach umwerfend!), Malerei und journalistischen Arbeiten. Dabei trifft sie auch auf Menschen, die sie unterstützen und aufbauen.

Auch wenn sie sich durchkämpft und in Panama zur ersten vereidigten Dolmetscherin in der Geschichte des Landes ernannt wird, fühlt sie sich erst wieder besser, als sie San Francisco und damit ein Stück westlich geprägte Welt erreicht. Denn sie sah die anderen Völker und Länder unbestritten durch ihre europäische Brille und manche ihrer Äußerungen kann man durchaus rassistisch nennen. Ich musste beim Lesen ein ums andere Mal kräftig schlucken. Doch man muss auch beachten, dass sie – nicht nur in dieser Beziehung – ein Kind ihrer Zeit war und ihr zugutehalten, dass sie trotz der Vorurteile, die sie gegen manche „Rassen“ pflegte, mit offenen Augen durch die Welt ging und auch fähig war, ihre Urteile zu revidieren, wenn sie sie als unzutreffend erkannte.

Die asiatische – vor allem die japanische Kultur – liegen ihr näher als die südamerikanische und die – überwiegend – höflichen Menschen dort haben es ihr angetan: „Dennoch sage ich: Zwischen Südamerika und Japan liegt die ganze ungeheure Tonleiter einer aufsteigenden Kultur. So war es also einem Japaner gegeben, mir den Glauben an das Beste im Mann zurückzugeben.“

Rund vier Jahre nach dem Beginn ihrer Reise verlässt Alma M. Karlin den fernen Osten, um die Südsee zu entdecken. Ihre „Einsame Weltreise“ wurde erstmals im Jahr 1929 veröffentlicht, der zweite Teil „Im Banne der Südsee“ ein Jahr später. Beide Bücher wurden große Erfolge und begründeten ihren Ruf als eine „der größten Weltreisenden unserer Geschichte“, wie die Herausgeberin des Buches Jerneja Jezernik in ihrem Nachwort schreibt.

Dass die „Einsame Weltreise“ nun 130 Jahre nach Alma M. Karlins Geburt, 100 Jahre nach dem Beginn ihrer Reise und 90 Jahre nach der Erstausgabe ungekürzt im AvivA-Verlag erschienen ist, halte ich für einen Glücksfall für mich und für alle zukünftigen Leserinnen und Leser dieses sehr empfehlenswerten Buches. Ich hoffe, der 2. Teil wird bald folgen.

Alma M. Karlin, Jerneja Jezernik (Hrsg.): Einsame Weltreise.
AvivA, März 2019.
400 Seiten, Gebundene Ausgabe, 22,00 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Beate Fischer.

 

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