Alexa Hennig von Lange: Kampfsterne

Schon lange habe ich keinen Roman mehr gelesen, den ich gleich von Anfang an wieder weglegen wollte. Dieser Roman und ich, wir passen nicht zueinander. Dabei kenne ich das System, den Aufbau, die Produktion ganz gut. Denn hier geht es unter anderem um die Subjektivität des Erlebten, um die Relativität der Eindrücke. Ein und das gleiche Ereignis wird unterschiedlich interpretiert. Wir haben es mit drei Mittelschichtsehen zu tun. Es gibt einen Spontispruch, den ich für dieses psychopathologische und zweifelhafte Reihenhausvorortidyll leicht abgeändert habe: „In Gefahr und höchster Not, bringt die Mittelschicht den Tod“. Eltern und Kinder kommen abwechselnd mal länger mal kürzer zu Wort um ihre jeweilige Sicht der Dinge und den Lauf der Ereignisse zu kommentieren. Lexchen als eine Art Oskar Matzerath beschrieben, weil obwohl schon acht Jahre, sie anscheinend das Wachstum eingestellt hat.

Vielleicht passt hier das Bild aus der Blechtrommel: Bei all dem Psychoscheiß um sie herum, das Wachsen einstellen, warum auch nicht. Aber Lexchen weiß allemal klug die Wirrnisse der Kleinbürgerlichkeit auf ihre naive Art treffend zu entschlüsseln. Rita, Ulla und Ella sind mördergestresste Mütter, die irgendeinem Bild entsprechen wollen, also nach außen glückliche Familie spielen, und innen zerfressen von Perspektivlosigkeit in Liebe und Leben. Auch pocht im Hintergrund immer eine homoerotische Wunde bei Rita und Ulla. Die Männer (Georg, Rainer und Bernhard – wie man so heißt in einer Reihenhaussiedlung der achtziger Jahre) sind entweder Loser oder hilflos gewalttätig oder sonst wie vollkommen irritiert. Am Ende passiert dann der jungen Siedlungsschönheit Constanze (Cotsch) was Schreckliches und der junge vom Aussehen eher nach Stephen Hawking kommende Johannes, hat seinen ersten, nicht selbst erzeugten Orgasmus.

Mögen das Buch andere feiern, ich würde es nicht mit gutem Gewissen verschenken.

Alexa Hennig von Lange: Kampfsterne.
DuMont Buchverlag, August 2018.
224 Seiten, Gebundene Ausgabe, 20,00 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Fred Ape.

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