Uta Ruge: Die Kühe, mein Neffe und ich

Uta Ruge ist auf einem Milchviehbetrieb in Norddeutschland aufgewachsen. Schon in ihrem ersten Buch „Bauern, Land“ hat sie sich mit den Veränderungen in der Landwirtschaft auseinandergesetzt, das Erblühen und den Untergang der bäuerlichen Kultur analysiert. In ihrem neuesten Buch widmet sie sich besonders den Kühen. Schon im Neolithikum malt der Mensch Kühe an die Wände der Höhlen.

In den folgenden Epochen gelten sie nicht selten als heilig. Göttinnen sind in einigen vorzeitlichen Kulturen von Kuhgestalt, Stiere werden verehrt und es gibt Mensch-Kuh-Mischwesen. Das Zusammenleben und das Arbeiten mit Kühen in ihrer Kindheit und Jugend haben Frau Ruge sehr geprägt. Sie schaut ihrem Bruder und seiner Familie bei der täglichen Arbeit im Kuhstall heute über die Schulter, besucht einige Höfe, die eine unterschiedliche Rinderhaltung betreiben und macht sich ein Bild über die moderne Mensch-Kuhbeziehung. Jahrhundertelang war sie nämlich eine sehr innige.

Der Zyklus von Zeugung, Geburt, Milchgeben und Tod, der jahrelange enge Körperkontakt zwischen Tier und Mensch beim Melken stellte immer eine besondere Verbindung her. In unseren Tagen hat sich viel verändert. Ein Bauer muss immer mehr Tiere halten, um überleben zu können. Viele Menschen wollen für Milch, Butter, Käse nur niedrigste Preise bezahlen oder sie gleich gar nicht mehr essen und als Veganer leben. Weidehaltung von Rindern wäre aber für unser Klima das Beste! Von wegen Kühe sind Methanschleudern. Das stimmt schlicht und einfach nicht. Rinderherden auf Weiden und kuhgebundene Kälberhaltung in Kombination mit Milchproduktion, das wäre das Ideale.

Die Realität sieht anders aus. Die Autorin besucht einen Kuhstall in Ostdeutschland, auf dem 1750 Kühe stehen, wo rund um die Uhr in drei Schichten gemolken wird und eine liebevolle Beziehung zu den Tieren unmöglich ist. Zeitgleich fürchten Bauern in Bayern, die Auflagen nicht mehr erfüllen zu können und ihre Familienbetriebe aufgeben zu müssen. Immer mehr Bestimmungen, immer mehr Forderungen, immer mehr Bürokratie treibt die so begrüßenswerte Kleinlandwirtschaft ins Aus. Auch der Neffe der Autorin fragt sich, ob sich Investitionen lohnen, ob er überhaupt einen Kredit für notwendige Neuerungen bekommen wird oder ob es nicht besser wäre, aufzugeben.

Frau Ruge berichtet klug, mit viel Herzenswärme und top informiert aus den Kuhställen der Nation, zu denen die Menschen die Verbindung verlieren. Immer weniger wissen über die tatsächlichen Vorgänge in der modernen Landwirtschaft Bescheid und glauben aufgebauschten oder schlichtweg falschen Medienberichten. Das ist eine Tragödie.  Die Autorin fragt zu Recht: „Denn wie ist eine Welt beschaffen, in der es die Rückbindung an die Tiere nicht mehr gibt?“ (S. 221)
Was für ein interessantes und wichtiges Buch!

Uta Ruge: Die Kühe, mein Neffe und ich. Mit großen Tieren aufwachsen, leben und arbeiten.
Verlag Antje Kunstmann, August 2023.
223 Seiten, Hardcover, 25,70€.

Diese Rezension wurde verfasst von Karina Luger.

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