Ursula Poznanski: Die Burg

Kann eine KI böse sein?

Der Milliardär Nevio hat in der alten Burg Greifenau den ultimativen Escape-Room geschaffen. Mittelalterliche Türme, Gänge und Verliese wurden wieder ausgegraben und ausgebaut und zusätzlich mit interaktiver Technik versehen. Man geht also in einen alten Saal und die Technik erschafft ein Szenario mit Bänken, Tischen, Leuchtern und sogar Figuren. Ganz auf die Wünsche des jeweiligen Benutzers zugeschnitten. Gesteuert wird das Ganze durch eine hochmoderne, selbstlernende KI. Die Burg steht kurz vor der Eröffnung und als letzter Test ist eine Gruppe eingeladen, deren Mitglieder jeder auf eine andere Art und Weise Experte für diese Art von Escape-Room sind. Gemeinsam erstellen sie ein Szenario nach ihren Wünschen, gehen durch die erste Tür und landen … direkt in der Hölle.

Es scheint keinen Ausweg aus dem Labyrinth zu geben, sie werden getrennt, treffen sich teilweise wieder, werden mit ihrer Vergangenheit konfrontiert. Die KI gräbt tief verborgene Geheimnisse jedes Einzelnen aus und nicht jeder wird die Burg lebend verlassen.

„Die Burg“ handelt zunächst einmal von diesem komplexen Escape-Room und den verzweifelten Versuchen der Gruppe, zu entkommen. Die KI scheint sich verselbständigt zu haben, scheint böse geworden zu sein und alle Alpträume über Skynet wahr werden zu lassen. So hat die Nevios Sicherheitstruppe lange keine Ahnung, was sich wirklich im Inneren abspielt, weil die KI ihnen falsche Bilder übermittelt und als ihnen langsam etwas schwant, werden die Leitungen nach draußen gekappt. Die Gruppe im Escape-Room kämpft gegen bösartige Fallen an, aber … ist das nicht genau das, was sie verlangt haben? Ist die KI böse geworden, hat sie sich verselbständigt oder erfüllt sie nur genau das, was – etwas unbedacht – von ihr verlangt wurde? Erwartet hat die Gruppe ein einfaches, lustiges bis gruseliges, aber auf jeden Fall fiktives Szenario über einen mittelalterlichen Verratsfall. Bekommen hat sie ein mittelalterliches Szenario und sehr viel mehr Authentizität, als sie jemals gewollt haben.

Das Buch war durchweg spannend und ich wollte auch unbedingt wissen, wie es ausgeht. Aber: Obwohl die Anzahl der Protagonisten wirklich überschaubar ist, gelingt es der Autorin bei kaum einem davon, ihn mir ans Herz zu legen. Einzig Maxim tut sich da ein wenig hervor, als er eingeführt wird. Denn er ist der Besitzer eines einfachen Escape-Rooms kurz vor der Pleite und je erfolgreicher Nevio sein wird, desto schwerer wird das Leben für ihn werden. Den Historiker fand ich ganz witzig in seiner Verkniffenheit, aber sonst ist mir keiner der Beteiligten wirklich im Gedächtnis geblieben. Auch der Gruselfaktor stellte sich bei mir nicht da ein, wo er vorgesehen war. Klar ist das unheimlich, in so einer Burg plötzlich mit der Pest konfrontiert zu werden, aber da der Grusel im Buch dann auch noch in einer künstlichen Umgebung stattfand, hielt sich meine innere Beteiligung in Grenzen.

Richtig spannend fand ich allerdings den Kriminalfall am Rande, den die KI für dieses Szenario ausgegraben hatte. Was bleibt, ist die – auch zwischenmenschlich – spannende Frage: Was wird gesagt und was wird verstanden? Und wie werden wir Anweisungen formulieren müssen, die eine Maschine mit ziemlich viel Zugang und Rechenleistung dann umsetzen soll? Wie viel Eigenständigkeit darf diese Maschine dann noch haben? Und wie vermeiden wir solche Missverständnisse, die dann in der Burg in die Katastrophe führen.

Ursula Poznanski
Knaur, Februar 2024
400 Seiten, Hardcover, 24,00 Euro

Diese Rezension wurde verfasst von Regina Lindemann.

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