Die Zutaten zu „Babettes Gastmahl“ sind so einfach wie edel: Da wären zunächst zwei Schwestern, Martine und Philippa, benannt nach Martin Luther und Philipp Melanchthon, Töchter eines Probstes, welcher in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts eine freikirchliche Gemeinschaft gegründet hatte. Beide sind inzwischen in der Mitte des Lebens angekommen, aber noch immer anmutig und graziös, jedoch fern aller modischen Verführungen. Dazu eine stetig alternde Gemeinschaft aus Brüdern und Schwestern, welche auch nach dem Tode des Probstes etliche Jahre zuvor ihrer Kirche und deren Regeln treu geblieben sind. Eine weitere und ganz entscheidende Zutat ist Babette, die französische Haushälterin der beiden Damen, eine Kommunardin. Sie musste vor 14 Jahren aus Paris fliehen und fand auf Empfehlung des Sängers Achille Papin, der einst im Hause des Probstes zu Gast war, dort Unterschlupf. Seitdem führt sie mit viel Geschick Haushalt und Küche. Und nicht zu vergessen General Löwenhjelm, welcher in seiner Jugend einige Wochen im Dorf der Schwestern verbracht hatte.
All das würzen wir mit ein bisschen abenteuerlicher Romantik in Gestalt des abgelegenen kleinen Dorfes Berlevaag im rauen Norden Norwegens am Ufer eines Fjordes, mit zwei Teelöffeln freundlich abgewiesener Liebe und einem Quäntchen Pariser Oper. Abgeschmeckt mit einem unerwarteten Gewinn und einer Prise Café Anglais, erhalten wir ein wohlschmeckendes Menu, das keine Wünsche offenlässt.
Die vorliegende Ausgabe des Manesse Verlages ist die erste vollständige Übersetzung ins Deutsche, zugrunde liegt hier die dänische Fassung aus dem Jahr 1958. Alle bisherigen Übersetzungen beruhten auf der ersten und deutlich kürzeren, in Englisch geschriebenen Fassung von 1950. Diese und etliche andere Erkenntnisse verdanke ich dem Nachwort, geschrieben vom dänischen Schriftsteller Erik Fosnes Hansen, welches gemeinsam mit einem umfangreichen Glossar über die eine oder andere Verständnisschwierigkeit hinweghilft.
Die dänische Autorin Tania Blixen war mir bisher nur durch ihren autobiographischen Roman „Jenseits von Afrika“ bekannt, den ich mich großem Vergnügen gelesen hatte. Ich war gespannt, ob mir Frau Blixen mit „Babettes Gastmahl“ ein eben solches Vermögen bereitet und meine Erwartungen wurden nicht enttäuscht. Tania Blixen verstand es, lebendige und realistische Figuren zu zeichnen und Zeitgefühl einzufangen. Babette steht für das Ende einer Epoche. Die Kunst der Meisterköchin kann nur von denen richtig gewürdigt werden, die sie als Kommunardin bekämpft hat, von den Fürsten und anderen Lebemännern, die ihre Zeit in Müßiggang und Genuss verbringen. Babettes Abschied von Paris ist zugleich ein Abschied von einer vergangenen Zeit.
Die Erzählung „Babettes Gastmahl“ macht definitiv Lust auf weitere Geschichten von Tania Blixen.
Tania Blixen: Babettes Gastmahl.
Aus dem Dänischen übersetzt von Ulrich Sonnenberg.
Manesse, Februar 2022.
120 Seiten, Gebundene Ausgabe, 20,00 Euro.
Diese Rezension wurde verfasst von Jana Jordan.