Der Erste Weltkrieg ist an keinem spurlos vorbeigegangen. Und dies nicht nur in der Bevölkerung. Auch die heimkehrenden Soldaten müssen sich umstellen. 75 % von ihnen werden nicht mehr gebraucht. Bei diesen weitreichenden Veränderungen kann es nur Aufruhr geben. Denn jeder in Leipzig verfolgt seine politischen Ziele. Die einen wollen die guten, alten Zeiten des Kaiserreichs zurück, die anderen Frieden und ihre gerade zurückgewonnene Freiheit behalten. Rechte, Linke, Konservative, Kommunisten stehen sich kämpferisch gegenüber. Der Putschversuch in Berlin kommt da vielen gerade zur rechten Zeit, um sich mit Waffengewalt zu positionieren. Aus dem in Berlin ausgerufenen Generalstreik entsteht auch in Leipzig ein blutiger Bürgerkrieg.
„Stainer starrte in die Flammen und rang um Fassung. Was sollte nun werden? Aus Leipzig, aus Deutschland – sah so die Zukunft der Republik aus? Der brennende Dachstuhl der Villa krachte zusammen.“ (S. 376)
In diesem politischen, kriegerischen Durcheinander muss Kriminalinspektor Stainer einen Serienmörder fangen, der seinen Opfern nicht nur das Leben nimmt, sondern auch ihre Köpfe vom Körper abtrennt.
Thomas Ziebula schickt den seelisch angeschlagenen Kriminalinspektor Paul Stainer in seinen dritten Fall, bei dem viel zu viele Menschen von einem Wahn heimgesucht werden. Dies sieht man auch an Stainers Vater, der aufgrund einer Kriegsverletzung im Rollstuhl sitzt. Für ein sachliches Gespräch ist der hochdekorierte, ehemalige Major schon lange nicht mehr empfänglich. Alkohol und sture Hetzreden haben den Vater entfremdet. Stainers ehemaliges Zuhause gibt es schon lange nicht mehr. Und es sieht so aus, als wäre nichts mehr normal. Und gerade das Normale bräuchte er, um seelisch zu genesen. Trotzdem muss es irgendwie weitergehen. Jeden Tag ein bisschen, auch wenn es Schicksalsschläge hagelt. Vor diesem historischen Hintergrund zeigt Thomas Ziebula sehr plausibel, wie das inszenierte Chaos ein friedliches Miteinander verhindert und Politik gestaltet.
Eine Woche lang braucht Stainer, bis er diesen Fall schließen kann. Nur die Ordnung kann er nicht mehr herstellen. Dafür ist zu viel passiert und zu viel Angekündigtes wird noch auf ihn zukommen.
Dem Autoren ist erneut ein extrem kurzweiliger Roman gelungen, in dem alles so echt wirkt, als wäre man gerade Augenzeuge von schicksalhaften Verwicklungen. Natürlich ist es möglich, den dritten Band als eigenständigen Roman zu lesen. Den höchsten Lesegenuss erfährt man jedoch, wenn alle drei Bände zeitlich kurz hintereinander gelesen werden. Leider bleibt am Ende der Lesehunger nach mehr.
Thomas Ziebula: Engel des Todes.
Wunderlich, März 2022.
384 Seiten, Gebundene Ausgabe, 20,00 Euro.
Diese Rezension wurde verfasst von Sabine Bovenkerk-Müller.