Robert Seethaler: Der letzte Satz

Der Österreicher Robert Seethaler (Jahrgang 1966) hat sich mit seinen Romanen „Der Trafikant“ aus dem Jahr 2012, „Ein ganzes Leben“ (2014) und „Das Feld“ (2018) in die Herzen vieler Leser*innen auf der ganzen Welt geschrieben. Am 3. August 2020 erschien bei Hanser Berlin im Carl Hanser Verlag Seethalers neuer Roman mit dem Titel „Der letzte Satz“.

Darin erzählt Robert Seethaler von den letzten Tagen im Leben des weltberühmten Musikers und Dirigenten Gustav Mahler (1860-1911). Mahler sitzt Anfang des Jahres 1911 allein und in Wolldecken gehüllt an Bord der „Amerika“, die ihn von New York nach Europa bringen soll. Ein Schiffsjunge umsorgt ihn, bringt ihm Tee und unterhält sich mit Mahler. Todkrank schaut er auf das Meer und erinnert sich an sein Leben. An das Komponieren auf einem Südtiroler Hof in den Bergen, den Diphterie-Tod seiner Tochter Maria, deren Stimme er noch zu hören meint. An seine Zeit als Direktor an der Wiener Hofoper und die Arbeit mit den Philharmonikern der Metropolitan Oper in NYC. Er denkt an seine Frau Alma und die Tochter Anna, die mit ihm auf der „Amerika“ reisen und an die unsäglichen Sitzungen bei Auguste Rodin in Paris, der eine Büste von Mahler zu seinem 50. Geburtstag anfertigen soll. Oder seine Begegnung mit Sigmund Freund, den er wegen seiner Eheprobleme mit Alma aufsuchte und der ihm zum Abschied riet, sich einen Pullover zu besorgen, damit er im Zug nicht friert. Mahler feiert große Erfolge als Komponist und als Dirigent. Der Schiffsjunge fragt Mahler einmal, was für Musik er macht und Mahler antwortet ihm:

„Man kann über Musik nicht reden, es gibt keine Sprache dafür. Sobald Musik sich beschreiben lässt, ist sie schlecht.“ (S. 65)

Die Fahrt über den Atlantik wird Mahlers letzte Reise. Der Schiffsjunge liest Monate später im Herbst 1911 über den Tod von Gustav Mahler in der Zeitung.

Ein, zwei Sätze im neuen Roman „Der letzte Satz“ und schon bin ich als Lesende im Seethaler-Sound versunken. Warmherzig und einfühlsam stellt er mir den berühmten Musiker Gustav Mahler vor. Ich lausche seinen Erinnerungen, denn außer den kurzen Gesprächen mit dem Schiffsjungen passiert nichts auf der langen Schiffsreise von Amerika nach Europa. Und doch lese ich interessiert und gespannt. Robert Seethalers Sprache ist es, die mich zu fesseln weiß und die mich für die Geschichte von Gustav Mahler begeistert. Seethaler beobachtet und beschreibt fein. In den Dialogen offenbart er Charakterzüge und Denken seines Protagonisten. Dazu braucht es keiner langen Beschreibungen und Ausführungen. So erzählt er Mahlers Leben in einzelnen Episoden auf knappen 128 Seiten und nicht in epischer, historischer Breite von der Geburt bis zum Tod. Das macht das Buch kurzweilig, es ist in ein paar Stunden ausgelesen.

Und gleich danach kommt das Bedauern darüber, dass es nicht noch ein paar Seiten länger gewesen ist. Nur ungern verlasse ich die weise Erzähl-Welt des Robert Seethaler in „Der letzte Satz“, nicht ohne dem namenlosen Schiffsjungen viel Glück hinterher zu rufen.

Robert Seethaler: Der letzte Satz.
Hanser Berlin, August 2020.
128 Seiten, Gebundene Ausgabe, 19,00 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Sabine Sürder.

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Ein Kommentar zu “Robert Seethaler: Der letzte Satz

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