Peter Grandl: Turmgold

Es sollte nur ein Band werden, sagt Peter Grandl selber. Aber nach dem Erfolg von „Turmschatten“ war die Geschichte um den deutschen Rechtsradikalismus und ihre Verstrickungen ganz eindeutig noch nicht zu Ende erzählt. Der Turm hat noch mehr Geheimnisse.

Inzwischen ist in die bekannten Räume ein jüdischer Kindergarten eingezogen. Ausgerechnet den sucht sich eine rechtsradikale Gruppe aus, um zehn Kinder und zwei Betreuerinnen als Geiseln zu nehmen. Ihre Forderung? Die Polizei soll Karl Rieger, den alten Kameraden, der inzwischen im Zeugenschutzprogramm lebt, weil er als Kronzeuge zu den Ereignissen im ersten Band dieser Reihe ausgesagt hat, ausliefern. Also seinen neuen Namen und seine neue Adresse bekannt geben.

Karl hat indessen seinen Frieden gefunden und mit den Nazifreunden wirklich gebrochen. Es wurde ihm eine Ausbildung ermöglicht und er lebt mit Frau und zwei Kindern. Achim Schuster ist erneut der verantwortliche Leiter des Einsatzes und auch der aus dem ersten Band bekannte Yellow-Press-Sender setzt wieder eine Sondersendung nach der anderen an. Wir sind jetzt 10 Jahre weiter als im ersten Band, im Jahr 2020. Wird in diesem Jahr irgendjemand die Entscheidung treffen, wessen Leben wichtiger ist, das von Karl Rieger – dem Schutz zugesichert wurde –, oder das der Geiseln – die als Kinder und Unschuldige per se unter Schutz stehen? Das ist die Leitfrage des Buches, der roten Faden, der alles zusammenhält.

Vermischung von Fiktion und Realität

Was mich an diesem Buch am meisten fasziniert hat, war die Vermischung von Fiktion und Realität. Peter Grandl hat immer wieder reale Ereignisse, wie den Mord an Lübke, eingewoben, so dass ich mehrmals nachsehen musste, was real ist und was nicht (den Umsturzversuch der Reichsbürger hat es doch nicht gegeben – oder etwa doch?).

Die Stärke des Buches ist in meinen Augen aber gleichzeitig seine größte Schwäche. Es ist einfach zu viel reingepackt. Rechtsradikaler Terror, Judenhass, Reichsbürger, Nazi-Erbe, rücksichtslose Presse, Polizeiarbeit, die manche Wünsche offen lässt und dann noch suboptimale Regierungsvertreter. All das wird recht mühevoll zusammengehalten von der Geschichte um die Geiselnahme und das Nazigold, das im Keller des Turms versteckt wurde und über das die Geiseln mehr oder weniger zufällig stolpern und das der für den Umbau verantwortliche Architekt dann auch noch dort vermutet.

Es ist nicht so, dass das Buch nicht spannend wäre, das ist es ohne Zweifel. Man behält auch trotz Ausflügen in die Vergangenheit durchaus den Überblick über die Geschehnisse. Das Problem liegt für mich eher darin, dass man die Hälfte der angesprochenen – und wichtigen – Probleme unserer Gesellschaft in Bezug auf dieses Buch schon wieder vergessen hat, sobald man das Buch zuklappt.

Zu viele Aha-Erlebnisse

Peter Grandl versteht es, all das in einen spannenden Thriller so einzuflechten, dass Aha-Erlebnisse aufkommen, aber es kommen zu viele auf und das verwässert in meinen Augen die Wirkung des Buches. Kaum hat man sich über die rücksichtslose Presse aufgeregt, kommt schon der suboptimale Minister ins Spiel und so reiht sich eins ans andere.  Literatur soll aufzeigen, aber hier war es mehr ein Aufblitzen von „ach ja, das Problem gibt es ja auch noch“ und hatte damit eine ähnliche Wirkung wie die Tagesschau.

Trotzdem würde ich das Buch und auch den Vorgängerband empfehlen, vielleicht sogar zum zweimal lesen.

Peter Grandl: Turmgold.
Piper, Dezember 2022.
592 Seiten, Paperback, 18 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Regina Lindemann.

Teilen Sie den Beitrag mit Ihren Freunden und Kontakten:

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.