Michael Moorcock: Elric

Den weißhaarigen Albino mit seinem magischen Schwert einem Fan der Fantasy-Literatur vorzustellen, das hieße Eulen nach Athen tragen.

Wer noch nicht von dem zynischen, dekadenten und fluchbeladenen Anti-Hero gehört, besser gelesen hat, die oder der hat nicht nur ein überwältigendes Leseerlebnis versäumt, sie oder er kann auch nicht wirklich sagen, sich in der Fantasy auszukennen. Zusammen mit Tolkiens „Herr der Ringe“ gehören Elric und seine Brüder im Geiste (Corum und Hawkmoon) zu den Vorlagen, aus denen Fantasy-Autorinnen und Verfasser seit ihrem Erscheinen Inspiration gezogen haben. Moorcock hat das Genre, das bis dahin aus jungen, gesunden und wohlmeinenden Recken mit einer Mission bestand, kurzerhand revolutioniert. Er erzählt die Geschichte(n) eines Mannes, dessen Existenz von Leiden geprägt ist, der zu seinem magischen Schwert eine symbiotische Beziehung hegt, der seine Welt und sich selbst nicht mag. Auf dem Rubinthron zu Imrryr, der in der Träumenden Stadt residierend, herrscht Elric als König über das kleine, einst so mächtige und nach wie vor gefürchtete Melniboné.

Es gehört zu den besonders einprägsamen Bildern, wenn immer wieder erzählt wird, wie der Autor in den Swinigin´ 60s während einer um ihn herum stattfindenden Party in einer Ecke wie wild auf eine mechanische Schreibmaschine einhackte, um mit dem Elric-Manuskript seine sich anhäufenden Rechnungen bezahlen zu können. Dass dabei etwas derart Einprägsames, Ungewöhnliches, ja Einzigartiges herauskam, darf getrost als Segen für die moderne Fantasy bezeichnet werden. Während andere, zumeist weit weniger fantasievolle und innovative Verfasser immer dieselbe alte Queste nacherzählten, schuf hier ein Mann ein Multiversum, das Welten, Dimensionen und Zeitalter überspannt.

Nachdem die deutsche Ausgaben, die über die Jahre bei Heyne publiziert wurden, schon lange vergriffen sind und die Neuauflage bei Mantikore nach nur einem Band wieder eingestellt wurde, wagt sich nun Fischer TOR an das Werk.

Ein Werk, obzwar aus acht Romanen bestehend, das uns vom Leben, Wirken und in ganz besonderem Ausmaß vom Leiden unseres Protagonisten berichtet.

Anders, als im englischsprachigen Raum hat man sich bei Fischer TOR entschieden, das Werk in einem einzelnen großformatigen und voluminösen Band aufzulegen. Farbig von internationalen Künstlern illustriert, wird jeder Roman von einem persönlichen Vorwort eines international renommierten Fantasy-Autoren eingeführt.

Der Verlag hat die Neuübersetzung des Werks in die bewährten Hände Hannes Riffels gelegt, eines Mannes, der nicht nur lange Jahre als Herausgeber und Lektor gewirkt, sondern auch immer wieder als versierter, einfühlsamer Übersetzer von sich reden machte. Er macht aus den über Jahrzehnte vertraut vorgelegten Romanen ein Gesamtwerk, das ob seiner erzählerischen Wucht beeindruckt.

Die Farb- und Schwarz-Weißillustrationen setzen das Gelesene kongenial in eine den Text ergänzende optische Dimension um, sodass die Erwerberin respektive der Käufer ein Gesamtkunstwerk erhält, das den Preis für das Gebotene – immerhin acht Romane ergänzt um die Illustrationen – als mehr als adäquat erscheinen lässt. Nach der großartigen Jumbo-Ausgabe von LeGuins „Erdsee“ wieder ein wunderbar in sich rundes, begeisterndes Werk, das uns Fischer TOR hier kredenzt. Etwas zum Verschenken nicht nur auf Weihnachten, zum Genießen und zum selber Besitzen natürlich auch.

Michael Moorcock: Elric – Die illustrierte Gesamtausgabe
Innenillustrationen von Brom, Piotr Jablonski, Bastien Lecouffe Deharme, John Picacio
aus dem britischen Englisch übersetzt von Hannes Riffel
Fischer TOR Verlag, Oktober 2023
1165 Seiten, gebundene Ausgabe, 68,00 Euro

Diese Rezension wurde verfasst von Carsten Kuhr.

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