Edinburgh, 1684: An einem besonders kalten April-Tag wird Jack geboren, der mit einem gefrorenen Herzen zur Welt kommt. Als Ersatz wird ihm eine alte Kuckucksuhr eingesetzt, die täglich aufgezogen werden muss, damit er weiterleben kann. Doch bald stellt sich heraus, dass nicht nur das Jack zu einem besonderen Jungen macht. Die Liebe ist aufgrund dieser Uhr für ihn Tabu und ausgerechnet dann trifft er auf die verwirrend bezaubernde Acacia.
Da wird man von der ersten Zeile an mit so einem pfiffigen Ich-Erzähler namens Jack konfrontiert, der in den kleinsten Details den Tag seiner Geburt umschreibt. Der kleine Jack hatte mich von diesem Moment an auf seiner Seite, hat diese Sympathien aber leider sehr schnell wieder verloren. Der erste Teil der Geschichte, das Aufwachsen Jacks, bis er etwa 10 Jahre alt ist und auf Miss Acacia trifft, hat mir sehr gut gefallen, war geprägt durch das ein oder andere Wortspiel, selbst in der englischen Übersetzung und sorgte für Stimmung, ohne dass er es wirklich darauf angelegt hätte. Leider passiert mit der Geschichte dann etwas, was sich gar nicht so recht in Worte fassen lässt. Es ist, als hätte der Autor ganz plötzlich das Interesse an ihr verloren und setze jetzt nur noch alles daran, die Sache bloß schnell über die Bühne zu bekommen – und dieses Gefühl setzt hier schon nach gut 40 Seiten ein!
Was ist das überhaupt für ein Buch mit diesem zehn- bis zwölfjährigen, später immerhin vierzehnjährigen Protagonisten? Ein Jugendbuch? Nein, beileibe nicht. Es fällt wohl mal wieder unter die Kategorie „Erwachsenenbuch mit neunmalklugem Protagonisten“, das lassen zumindest die Formulierungen vermuten. Auf der anderen Seite stehen allerdings sehr oberflächliche Abhandlungen der Themen und nur Anreißen von Handlungsabläufen, was man ja eher aus Kinderbüchern kennt. Aus meiner Perspektive gelingt es dem Autor nicht, sich deutlich bei einer Zielgruppe zu platzieren. Das Buch hat interessante Ansätze und Szenen, aus denen man wirklich etwas hätte machen können, aber die ziehen unbeachtet vorbei. Am Besten hat mir noch die kurze Szene gefallen, in der Jack mit Dr. Madeleine das erste Mal in die Stadt geht und mit großen Augen vor einer Turmuhr stehen bleibt und fragt, ob diese sein Vater sei. Dieses kleine Aufleuchten geht aber innerhalb weniger Zeilen vorüber. Das mechanische Herz soll anregen zum Nachdenken über das Wesen des Lebens und der menschlichen Gefühle. Dafür wird mir hier zu wenig auf die wirklich wichtigen Fragen eingegangen und zu sehr ein Augenmerk gelegt auf die (auch nur angerissenen) Handlungsabläufe.
Man hat zu kaum einem Zeitpunkt das Gefühl, dass Jack ein Kind ist. Das mag sich durch seine besondere Erziehung bei Madeleine durchaus rechtfertigen lassen, aber dem Roman hilft das wenig. Der Kleine wirkt wie ein 10-Jähriger mit der Erfahrung eines 40-Jährigen, sympathisch ist er dadurch nicht, obwohl er sich doch in einer sehr misslichen, höchstmenschlichen Lage befindet. Aber das kauft man keinem Kind ab, dass es sich so sehr verliebt auf den ersten Blick und dann Jahre lang nur noch von der Liebe seines Lebens redet. Auch sehr befremdlich wirkt die im späteren Verlauf auftretende Wahrnehmung von Jacks Geschichte als „Buch“. Da bekommt man eine Romanfigur vorgestellt, möchte eine Beziehung zu ihr aufbauen und bekommt dann immer wieder vor den Kopf geworfen – mit den eigenen Worten des Ich-Erzählers – dass es sich ja nur um ein Buch handele.
Am Anfang sehr witzig, dann irgendwie nur noch hastig und übereilt. Man hat gar nicht richtig Zeit, sich mit den Figuren anzufreunden und wird nur schnell durch die Geschichte geschubst. Die Ansätze stimmen, bleiben aber vielfach einfach in der Luft hängen.
Mathias Malzieu: Die Mechanik des Herzens.
carl’s books, Juni 2012.
192 Seiten, Taschenbuch, 12,99 Euro.
Diese Rezension wurde verfasst von Janine Gimbel.