Man sollte es ja nun wirklich einmal begriffen haben – ich, eine ehemalige, frei drehende Security-Unit – bin, auch wenn mein Name vielleicht etwas Anderes andeutet, kein frei laufender, manischer Massenmörder. Ich bin sehr zufrieden damit, wenn meine Schutzbefohlene friedlich ihr Leben leben kann und ich nichts zu tun bekomme.
Gestatten, dass ich mich vorstelle – Killerbot der Name und auf Preservation Station so etwas wie die Persona non grata. Die Sicherheitschefin kann mich nicht ausstehen, verwehrt mir jeglichen Zugang zu den Überwachungs-Drohnen der Station – und ich musste doch versprechen, meine eigenen kleinen Informanten schön zurückzuhalten – wie soll man denn da seinen Auftrag, den Schutz vor den Killern von GrayCris, eines mega-sauren Konzerns, erfüllen?
Als dann auf der Station eine Leiche auftaucht – nein, ich werde nicht etwa als Spezialist hinzugezogen und das, obwohl ich gut 18.000 Stunden Krimiserien verputzt habe (!), oh nein, ich werden zum Verdächtigen Nummer Eins.
Wie ich aus der Bredouille wieder herauskomme?
Ganz einfach, den wahren Schuldigen finden und überführen – nur ist das leichter gesagt, als getan, sind doch da noch Flüchtlinge, ein mächtiger Bergbau-Konzern und ein Verräter involviert …
In den letzten Jahren hat Martha Wells mit ihren Killerbot-Novellen – die Meisten der als Roman angebotenen Texte sind de facto längere Erzählungen – so gut wie jeden Preis der Science Fiction eingeheimst. Die Leserinnen und Leser stehen Schlange, um ihre Werke zu erstehen, folgen fasziniert einem sehr menschlichen Kunstwesen, das sich oftmals humanistischer verhält, als die Biologischen. Vorletztes Jahr war sie beim ElsterCon in Leipzig zu Gast und erwies sich als ebenso charismatischer wie unterhaltsamer Ehrengast.
Vorliegende Novelle, die uns Heyne in einem sehr lesefreundlichen großen Satzspiegel offeriert, fühlt die in den vorhergehenden Erzählungen begonnene Handlung chronologisch weiter.
Allerdings verschiebt die Verfasserin ihren Fokus – weg von der Flucht und der Auseinandersetzung mit den Agenten des rachsüchtigen Konzerns – hin zu einer Kriminal-Handlung.
Zunächst geht es nur darum herauszufinden, wer der Ermordete war, was er auf der friedlichen Station wollte und was für ein Motiv hinter der Tat steckt.
Die Vermutung, dass die SecUnit mit dem Verbrechen irgendwie zu tun hat, führt dazu, dass Killerbot zwar zum Ermittlerteam gehört, dabei aber zunächst einmal unter Generalverdacht steht.
Dies bietet der Autorin die willkommene und gut genutzte Gelegenheit, ihren Erzähler als rechtschaffen erboste, gleichzeitig verletzte Figur zu zeichnen. Ein Kunstwesen, das nicht nur Genuss an Vergnügungs-Soaps findet, sondern auch verletzt ist, wenn Vorurteile seinen Weg pflastern. Dabei wissen wir Killerbot-Erfahrene Leserinnen und Leser doch, dass unsere SecUnit, die ihrer Programmierung entschlüpft ist, nur immer das Beste für ihre Freunde will – ja Killerbot hat echte Gefühle! – und würde niemals eine Leiche, und sei sie auch noch so schuldig, in einem Korridor rumliegen lassen. Ergo, es geht um das Who Did it.
Darin verwoben hat Wells dann noch eine anrührende Geschichte von Sklaverei, vom Tode bedrohten Kindern, Fluchthelfern, einem erneut absolut skrupellosen Konzern – sie erkennen das Bild?
Das hat unstrittig jede Menge Unterhaltungswert, spielt natürlich mit den bekannten Themata der allmächtigen Konzerne, deren Leiter längst jegliches Mass oder Moral verloren haben, bietet uns aber auch eine in sich temporeich und spannend aufgezogene Ermittlung voller unerwarteter Wendungen.
Keine tiefschürfende Lektüre, aber wunderbar zum Ausspannen nach einem anstrengenden Tag geeignet.
Martha Wells: Übertragungsfehler – Ein Killerbot Roman
aus dem amerikanischen Englisch übersetzt von Frank Böhmert
Heyne Verlag, Januar 2024
190 Seiten, Taschenbuch, Euro 14,00
Diese Rezension wurde verfasst von Carsten Kuhr.