„Kinderlähmung ist grausam – Schluckimpfung ist süß“ – an diesen Slogan kann ich mich aus meiner Kindheit noch gut erinnern, auch an die Tage, wenn dann die Ärzte vom Gesundheitsamt in die Schule kamen, um die Schülerinnen und Schüler gegen Kinderlähmung und andere Krankheiten zu impfen. Deshalb – unter anderem – hat mich das Thema des Romansgleich interessiert. Lynn Cullen betont, keinesfalls eine Biografie geschrieben haben zu wollen, Daten und Fakten des Lebens von Dr. Dorothy M. Horstmann sind dennoch belegt und nachprüfbar, ebenso wie die Namen der Personen, die im Buch eine Rolle spielen. Sie sind am Ende des Buches noch einmal alphabetisch aufgeführt und kurz skizziert. Und es sind viele Namen, die uns begegnen. Manchmal ein bisschen schwierig, sie alle auseinanderzuhalten und richtig zuzuordnen.
Dorothy Millicent Horstmann, geboren 1911 in New York, war Epidemiologin, Virologin und Kinderärztin. Während ihres Medizinstudiums entwickelte sie ein besonderes Interesse an Infektionskrankheiten – Schwerpunkt ihrer späteren Forschungen, eigentlich das, wofür sie brannte und lebte, war der Kampf gegen das Poliovirus.
Es wurde ihr als Frau in den 1940er Jahren nicht leicht gemacht.Ihre Bewerbung an der Vanderbilt-University wurde zunächst abgelehnt, eher durch einen glücklichen Zufall bekam sie die Stelle später doch noch.
Immer wieder wurde Dorothy Horstmann losgeschickt, wenn es irgendwo auf der Welt zu gravierenden Polio-Ausbrüchen kam. Ihr Team analysierte die hygienischen Bedingungen vor Ort, untersuchte Blutproben und versuchte herauszufinden, wie das Virus von Mensch zu Mensch übertragen werden konnte. Horstmann und ihre Kollegen entdeckten nach jahrelangen Untersuchungen, Rückschlägen und Zweifeln, das Virus im Blutkreislauf und kamen zu dem Schluss, dass die Krankheit über das Blut ins Gehirn gelangt. Ein Meilenstein in der Medizingeschichte!
All diese Fakten verpackt Lynn Cullen in einem Roman, der den Fokus genauso auf den Kampf richtet, den Dorothy in einer männerdominierten Welt auszufechten hat, um sich zu behaupten. Immer wieder wird sie als Frau belächelt, nicht ernst genommen, übergangen, werden ihre Studien und Erkenntnisse einfach „geklaut“. Männer und ihre Profilneurosen nehmen breiten Raum ein, was zwar sicher der damaligen Realität entspricht, aber im Buch auch mal langatmig ist.
Sehr realistisch schildert die Autorin die Einsamkeit als Forscherin unter lauter Männern, denen einfach auf Grund ihres Geschlechts mehr zugetraut wird. Wir erfahren sehr deutlich, was die Krankheit für einzelne Familien damals bedeutet hat, wie verzweifelt die Suche nach einem Impfstoff war, den Dorothy letztlich doch gefunden hat.
Die wissenschaftlichen Leistungen der Dr. Dorothy Horstmann, ihr schwieriges Privatleben, all das wird detailliert beschrieben – vielleicht ein bisschen zu detailliert.
Auch wenn ich mich, des Themas wegen und weil es wieder einmal um eine Frau geht, die für ihre Interessen einsteht, die sich in einer männerdominierten Welt unter schwierigen Bedingungen behauptet, auf den Roman gefreut habe, es ist mir schwer gefallen „dran zu bleiben“. Über weite Strecken fand ich es langatmig, und die zahlreichen Nebenschauplätze manchmal einfach zu viel und oft verwirrend.
Lynn Cullen: Die Formel der Hoffnung
Aus dem Englischen übersetzt von Maria Poet
Fischerverlage, September 2023
464 Seiten, Hardcover 17,99 €
Diese Rezension wurde verfasst von Sabine Ertz.