Plötzlich ist Phoebes Schwester April weg. Und Phoebe versteht gar nicht so richtig, was da genau los ist und warum sie nicht zu ihrer Schwester kann. Denn die Erwachsenen schaffen es nicht, dem kleinen Mädchen alles kindgerecht zu erklären. Deshalb beschließt Phoebe, ihrer Schwester zu schreiben und obwohl sie keine Antworten erhält, hört sie nicht auf, aus ihrem eigenen Leben zu berichten und die Fragen zu stellen, die ihr auf der Seele brennen. Für sie gehören Schwestern für immer zusammen und niemand sollte sie trennen.
Lilly Lindners erster Jugendroman geht nahe und das sehr schnell. Phoebe ist in ihren Umschreibungen direkt und nimmt kein Blatt vor den Mund. Sie ist ein Kind und setzt sich auf der Suche nach der Wahrheit mit ihren Mitmenschen auseinander. Warum reden ihre Eltern nicht mit ihr über Aprils Krankheit? Was ist das überhaupt – Magersucht? Was kann man dagegen tun? Wird April wieder gesund und wie lange dauert es? Und warum müssen Mama und Papa ständig streiten und weinen? Phoebe hat so viele Fragen, die ihr keiner beantwortet. Sie alle schreibt sie nieder in Briefen, die manchmal schon sehr hochtrabend formuliert sind für die Feder einer 9-Jährigen. Das erklärt die Autorin so, dass all die Fragen und keine Antworten aus Phoebe einen sehr ernsten Menschen gemacht haben, der in seinen Worten und Sätzen gar nicht mehr so sehr ein Kind ist. Eine gute Erklärung, aber nicht immer zufriedenstellend. Manchmal passen die Worte nicht ins Bild eines jungen Kindes, sei es auch noch so ernst.
Im zweiten Teil des Romans kommt dann auch April mit ihren Antworten zu Wort. Teilweise bezieht sie sich in ihren Briefen auf von Phoebe Geschriebenes. Auch dieser Teil geht nahe und man kann sich ihm kaum entziehen. Insgesamt ist „Was fehlt, wenn ich verschwunden bin“ ein interessantes Buch, das unter die Haut geht und einen so schnell nicht mehr loslässt! Die Lektüre sei dabei allerdings weniger Jugendlichen empfohlen als Eltern, die in vergleichbaren Situationen mit ihren Kindern feststecken.
Lilly Lindner: Was fehlt, wenn ich verschwunden bin.
Fischer, Februar 2015.
400 Seiten, Taschenbuch, 9,99 Euro.
Diese Rezension wurde verfasst von Janine Gimbel.