„Ich brauchte ganz schön lange, um Papa zu erwürgen.“ (S. 9).
Es sind verstörende Texte, die die kroatische Autorin in diesem Band mit Erzählungen versammelt. Es sind Geschichten um und über Kinder, Kinder, die unter ihren Eltern leiden, die an ihren Eltern leiden. Kinder, die sich gegen dieses Leiden wehren, mit teils erschreckenden, teils folgerichtigen Methoden.
In zwölf Geschichten erzählt Lana Bastašić von solchen Kindern. So in der ersten mit dem Titel „Wald“, in der, wie der oben zitierte erste Satz bereits verrät, das Kind den eigenen Vater erwürgt. Den Vater, über den sich der ganze Ort den Mund zerreißt, den Vater, der immer in den Wald geht, um, wie er sagt, „den Kopf frei zu kriegen“. Wo das Kind aber ganz andere Dinge beobachtet, die der Vater, mit der Hand in seiner Hose, tut.
Da ist der Junge, der so gerne die Berichte über die erste Mondlandung im Fernsehen sehen würde, dem dies aber nicht gelingt wegen der vielen Menschen im Raum. Der Junge, der gerne selbst Astronaut wäre, der nach dem Mann im Mond Ausschau hält. Der Junge, dessen Vater ihn immer wieder verprügelt. Der Junge, der diese Prügel hinnimmt, damit seine jüngeren Brüder verschont werden. Der Junge, dessen Vater plötzlich verschwindet…
Und da ist das Kind, das zweimal in der Woche einer Psychologin gegenübersitzt. Einer Frau, die stets einen Tee trinkt. Und dies schließlich ein letztes Mal tut …
Verstörende Geschichten
Wie gesagt, es sind sehr verstörende Geschichten, die man hier liest. Schwer verdaulich, und doch empfindet man trotz allem ein leises Verständnis für das, was diese Kinder letztlich tun oder in Andeutungen denken. Es sind Geschichten, die man nicht so schnell wieder vergisst, die sich nicht einfach so nebenbei herunterlesen. Man muss sie aushalten und das gelingt am ehesten, wenn man ihnen Zeit gibt. Man sollte ihnen gewachsen sein.
Lana Bastašić: Mann im Mond.
Aus dem Bosnischen von Rebekka Zeinzinger.
S. Fischer, Januar 2023.
205 Seiten, gebundene Ausgabe, 24,00 Euro.
Diese Rezension wurde verfasst von Renate Müller.