Herman van Veen: Solange es leicht ist – Geschichten übers Älterwerden

Das Älterwerden beginnt mit dem Tag der Geburt und endet mit dem Tod. Dazwischen geschieht so allerlei. In seinem Buch „Solange es leicht ist – Geschichten vom Älterwerden“ schreibt Herman van Veen über die kleinen und großen Ereignisse, die einen vom Älterwerden ablenken und auch von denen, die uns daran erinnern. Er erzählt von Begegnungen mit anderen Menschen, bekannten und unbekannten, beschreibt das Haus seiner Kinderjahre, von Alltag und Urlaub mit der Familie. Erinnerungssandalen tragen mich vom Strandurlaub mit Muscheln und Eimerchen in Katwijk aan Zee bis zum ersten Kuss in der Abschlussklasse der Oberschule. Herman van Veen teilt seine Erinnerungen an Reisen, an Lesungen und Konzerte, lässt mich seine Freude am Musizieren miterleben.

Und auch seine Freude am Zeichnen: Jedem Kapitel ist eine der Grafiken vorangestellt, welche beim Schreiben des Buches entstanden.

Die meisten Geschichten haben so etwas wie einen roten Faden, aber er trägt nicht auf. Es ist, als ob man sich mit jemandem unterhält, ein Satz ergibt den nächsten, ein Bild erzeugt ein weiteres, das Gespräch fließt dahin. Und doch behält der Autor sein Thema immer im Auge. Jeder Text beschäftigt sich auf seine Weise mit der Frage, was es mit dem Älterwerden auf sich hat, wie Menschen ihre Zeit füllen, wie sie sich verändern. Herman van Veen schreibt von Haarausfall, von Arztbesuchen und von seinem Großvater, der nach einem Schlaganfall halbseitig gelähmt war und mit einem Mal fließend französisch sprach. Er schreibt von Freunden und Familienangehörigen, die gestorben sind und von der Lücke, die sie hinterlassen. In einer anderen Geschichte erzählen ehemalige Mitschüler bei einem Klassentreffen von erfüllten und unerfüllten Hoffnungen und Träumen.

Überhaupt – Träume: Sie sind ein immer wiederkehrendes Thema. Da sind die Albträume vom Krieg, nachdem der elfjährige Herman eine Buch über den Zweiten Weltkrieg angeschaut hatte. Oder aber der Traum von der Ballonfahrt mit Bob Dylan, John Lennon, Jaques Brel, Edith Piaf und Piggelmee.

„Ein Traum enthüllt, das lernte ich mit den Jahren, den tieferen Hintergrund der Dinge, die sich in dir abspielen.“ (S.79)

Ich lerne auch, dass man Träume manipulieren kann. Sie sind die Brüder der Fantasie.

Ich lerne so manches, der Autor lässt mich an Recherche-Ergebnissen teilhaben und so erfahre ich zum Beispiel, welche Informationen man dem grönländischen Eis entnehmen kann und wie sich die durchschnittliche Lebenserwartung im Laufe der letzten Jahrhunderte verändert hat, aber auch, woher der Name des Vergissmeinnicht stammt. Herman van Veens Geschichten vom Älterwerden laden zu unterhaltsamer Zwischendurchlektüre ein – ich habe jede Geschichte für sich gelesen und genossen – und sind zugleich eine Anregung zur Selbstreflektion und Erinnerung.

Und wie stellt man es an, richtig alt zu werden? Der alte Geigenbauer rät zu Lachen und Geselligkeit, Katze Füchschen empfiehlt maßvolles Essen mit viel Obst und Gemüse. Das sollte zu machen sein.

Herman van Veen: Solange es leicht ist – Geschichten übers Älterwerden.
Aus dem Niederländischen übersetzt von Thomas Woitkewitsch.
Knaur, April 2021.
240 Seiten, Taschenbuch, 12,00 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Jana Jordan.

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