Auf der Homepage des Autors Fritz Fassbinder ist zu lesen: „Bis vor kurzem habe ich im Polizeiumfeld gearbeitet, das mich zu meinen Kinderbüchern mit Krimihandlung motivierte.“ Zum Thema Wutbürger beteiligte er sich an der Anthologie Wut, die 2019 beim Loewe Verlag erschienen ist. Als logische Konsequenz ist nun der Jugendroman über Fremdenhass und Radikalisierung von Fußballfans zu verstehen.
Der sechzehnjährige Ich-Erzähler Manuel ist einer der wenigen in seiner Klasse, der die zehnte Klasse schaffen will. Zurzeit hat er Pech und Glück zugleich. Er sitzt vorne, in der gleichen Reihe wie die attraktive Caro. In der letzten Reihe sitzen die tonangebenden Jungen, die Löwen, denen ein verletzender Spruch oder eine Handgreiflichkeit leichter fallen als gute Schulnoten.
Aus diesem Grund stehen die Außenseiter Manu und sein Freund im Zentrum von Hänseleien oder körperlichen Angriffen. Denn die Löwen sind ihnen kräfte- und zahlenmäßig überlegen. So könnte es weitergehen, jeden Tag das Gleiche, bis zum Schulabschluss, wären die FC-Fans eines Abends nicht zur Stelle gewesen. In einem Moment höchster Not vertreiben die Fans vier von Manus Klassenkameraden, die ihn gerade zusammenschlagen wollen. Manu lernt, wie schön der Schutz durch eine Gruppe sein kann.
Und da ist auch noch Sven, der neue Mitschüler, und ein aktiver FC-Fan. Sven lädt Manu zum nächsten Fußballspiel ein, um ihn in die Gepflogenheit der FC-Fans einzuführen. Viel zu schnell wird Manu Zeuge, dass Fremdenhass, Besäufnis und Gewaltausbrüche zum gruppenbildenden Standardprogramm der FC-Fans gehören. Besonders der innere Zirkel der Fans, die sich Wölfe nennen, wird von der Polizei überwacht. Manu muss vor und nach seinem ersten Auswärtsspiel miterleben, wie schnell Gewalt eskalieren kann. Auf der einen Seite schützt ihn die Gruppe der Wölfe, und gleichzeitig gerät er dadurch ins Zentrum einer Strafermittlung.
Der fesselnde Jugendroman zeigt anschaulich, wie schnell Außenseiter zum Spielball von Revierkämpfen werden. Fritz Fassbinder hat sich dazu entschlossen, vor dem Hintergrund von Rivalitäten und Fremdenhass das Thema falsche und echte Freunde zu fokussieren. Wann ist jemand ein echter Freund, und wie merkt man, ob ein neuer Freund auch ein guter Freund ist? Warum Fremdenfeindlichkeit diesen ergiebigen Nährboden hat, bleibt in Manus Geschichte ausgespart. Dafür zeigt der Autor unmissverständlich, wie Jugendliche in sozialen Brennpunkten ihre eigenen Kämpfe führen.
Man könnte die konfliktreiche Geschichte auch als eine aktuelle Bestandsaufnahme betrachten, die ein Politikversagen mit Tradition widerspiegelt. Die Folgen sind in Manus Schule spürbar. Beispielhaft hierfür lässt der Autor einen Schüler erzählen, ein Austauschschüler aus England habe Manus Englischlehrerin nicht verstehen können.
Fritz Fassbinder: Die Wärme der Wölfe
Loewe Verlag, Januar 2024
160 Seiten, Taschenbuch, 9,95 Euro
Diese Rezension wurde verfasst von Sabine Bovenkerk-Müller.