Florian Illies: Liebe in Zeiten des Hasses

Florian Illies ist ein Satzvirtuose. Sätze, die er verfasst, wirken wie gemeißelt, fein ziseliert oder sanft gedrechselt. Dabei immer lebendig und brillant formuliert. So auch in diesem Buch, welches sich mit Liebesgeschichten von Künstlern und Künstlerinnen in den dreißiger Jahren des letzten Jahrhunderts befasst.

Beginnend 1929, erzählt Illies von allen den schillernden, kreativen, oft auch einflussreichen Schriftstellern, Malerinnen, Schauspielern, von den Kindern und Ehepartnern der oft verrückten, oft verruchten, gerne auch mal versponnenen Künstler in Deutschland und Europa.

Dabei zeichnet er in kurzen, manchmal sehr kurzen Sequenzen ein buntes, fesselndes Bild dieses Jahrzehnts, zeigt er all die Facetten in den oft ungewöhnlichen, manchmal aber auch erstaunlich gewöhnlichen Lebensläufen. Das liest sich flott, sehr unterhaltsam, niemals langweilig und, dank seiner Virtuosität, mit großer Freude an den Worten.

Doch gleichzeitig sind diese Streiflichter zu kurz, zu hektisch wechselt der Schauplatz, steht abrupt ein anderer Autor, eine andere Tänzerin im Scheinwerferlicht, das Illies auf sie oder ihn richtet. Es gelingt nicht, sich auf die jeweilige Person einzulassen, sich einzufühlen. Die Leserin bleibt auf Distanz, obwohl sie doch mehr erfahren, mehr verstehen möchte von diesen faszinierenden Menschen. Auch wiederholt sich oft das, was er schildert, schlicht, weil sich das Leben selbst so oft wiederholt. So gleichen sich tatsächlich die Leben der Künstler und Künstlerinnen, greifen so viele von ihnen zu Drogen oder Alkohol, probieren verschiedene Lebens- und Liebesformen aus, scheitern so viele an ihren Ängsten. Und selbstverständlich zeigt sich am Horizont schon das Dunkle, das kommen wird.

Wir begegnen so illustren Personen wie Thomas und Klaus Mann, Picasso, Gustav Gründgens, Josephine Baker, Erich Kästner, Bertold Brecht und seinen Frauen, Marlene Dietrich und vielen anderen.

Hier wäre in meinen Augen weniger mehr gewesen, in dem Sinne, dass man sich auf weniger Biografien, weniger Schicksale hätte beschränken sollen, diese dann aber ausführlicher, empathischer, nachvollziehbarer hätte schildern können. Unbenommen davon bleibt der von mir bewunderte Stil von Florian Illies, den ich schon in seinen früheren Büchern so gerne gelesen habe.

Das vorliegende Buch liest man vermutlich am besten in kleinen Häppchen, die man dann um so mehr genießt.

Florian Illies: Liebe in Zeiten des Hasses.
S. Fischer, Oktober 2021.
432 Seiten, Gebundene Ausgabe, 24,00 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Renate Müller.

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