„… Detective Evandro Torres arbeitete schon seit einiger Zeit im Raubdezernat, aber vorher war er ein Mann von Format gewesen. Ein glorreiches Jahr und drei Monate lang war er Detective bei der Mordkommission gewesen. Dann hatte er, wie meistens bei den guten Dingen des Lebens, alles vermasselt und war abgestiegen. Ins Raubdezernat.“ (S. 54)
Bei Dennis Lehane sind die Polizisten zu einer Nebenfigur geworden. Degradiert, machtlos und auch in Liebesdingen erfolglos. Die Rolle des Guten übernimmt Bob, ein ehemaliger Krimineller, der seit zwei Jahrzehnten in „Cousin Marvs Kneipe“ als Barkeeper arbeitet und im Haus seiner verstorbenen Eltern lebt.
Ein paar Tage nach Weihnachten wird diese Kneipe von bewaffneten Männern überfallen. Kurz vorher hat die tschetschenische Mafia in dieser Bar „ihr“ deponiertes Schwarzgeld abgeholt. Den Tschetschenen gehören noch einige andere Lokale, die sie als kurzfristiges Geldversteck nutzen. Dass sie sich nicht ungestraft berauben lassen, dürfte jedem Kriminellen selbst mit geringem Verstand klar sein.
Durch den Raub stehen nun Cousin Marv und Bob im Fokus der Mafia und der Polizei. In dieser Situation dringt Eric Deeds in Bobs Leben, soeben aus dem Knast entlassen, rachsüchtig und völlig durchgeknallt.
Der Erfolgsautor Dennis Lehane ist dafür bekannt, seine Geschichten in Milieus anzusiedeln. Sein Roman beginnt mit dem Fund eines halbtoten Welpen in der Mülltonne, der in dem Machtgefüge einer kriminellen Struktur eine Eigendynamik mit ungeahnten Folgen entwickelt.
Gekonnt spielt der Autor mit der Fantasie des Lesers, um Gewalt und Spannung zu inszenieren. Da sieht Bob zum Beispiel bei einem „Gespräch“ mit dem Mafiaboss einen Lieferwagen am Straßenrand, in dem etwas Schweres bewegt wird. An einer Stelle rinnt Flüssigkeit aus dem Wagen, die keinen technischen Hintergrund haben kann. Kurz darauf wird die Tür des Lieferwagens wie ein Schrein geöffnet. Die Arbeitsmethoden im Guantanamo auf Rädern werden sichtbar.
Glaubwürdig lässt der Autor seine Helden wie im richtigen, zeitweise brutalen Leben agieren. Unterschwellig lotet er dabei aus, inwieweit ein Mensch in einem Geflecht von Verpflichtungen und Zwängen noch über einen eigenen Willen verfügt.
Der Leser bekommt von Dennis Lehane eine sehr gut geschriebene, spannende Geschichte. Typische Erwartungen mit den üblichen Erzählmustern und oberflächlichen Charakteren sind in seinem Roman „The Drop“ nicht zu finden.
Zum Glück!
Dennis Lehane: The Drop – Bargeld.
Diogenes, Oktober 2014.
256 Seiten, Gebunde Ausgabe, 19,90 Euro.
Diese Rezension wurde verfasst von Sabine Bovenkerk-Müller.