Der 2017 gestorbene hochdekorierte amerikanische Schriftsteller Denis Johnson hat der literarischen Welt einen Band mit fünf Erzählungen hinterlassen: „Die Großzügigkeit der Meerjungfrau“. In allen Geschichten stehen Menschen im Vordergrund, die gerade eine Krise zu bewältigen haben oder am Ende ihres Lebens stehen – so wie Darcy, ein Schriftsteller, der als alter Mann allein in seinem Elend lebt und die Geister längst verstorbener Familienangehöriger sieht. Oder wie Mark, ein hochangesehener Dichter, der literarische Preise absahnt, aber gleichzeitig von dem Wahn besessen ist, Elvis Presley sei ab dem Jahr 1958 durch seinen tot geglaubten Zwillingsbruder ersetzt worden. Er gibt tausende von Dollar für angebliche Dokumente aus, die diese Verschwörungstheorie stützen.
Denis Johnson war sicherlich ein brillanter Schreiber, der tief in die Seelen seiner Figuren blicken konnte und seinen Büchern auf diese Weise einen enormen Tiefgang verlieh. Und doch wird „Die Großzügigkeit der Meerjungfrau“ nicht jedem Leser gefallen. Dafür ist der gesamte Inhalt zu düster, hoffnungs- und trostlos – zum Beispiel, wenn der Insasse einer Entzugsanstalt Briefe an Verwandte, Bekannte oder auch den Papst schreibt, die er aber nie abschickt und in denen sich sein ganzes Elend und seine Verwirrtheit offenbart.
Eine Erzählung später befinden wir uns im Knast und spüren zwischen den Zeilen die Gewaltbereitschaft und Tristesse, die an diesem Ort herrscht. In der titelgebenden ersten Geschichte begeht ein exzentrischer Maler Selbstmord, und auch mit dem Ich-Erzähler ist es nicht zum Besten bestellt.
Es ist schlicht anstrengend, sich als Leser immer wieder neu auf solche deprimierenden Szenarien einzulassen.
Denis Johnson hat für einen Roman „Ein gerader Rauch“ (2007) den National Book Award erhalten. Außerdem stand er zweimal auf der Shortlist des Pulitzer-Preises.
Denis Johnson: Die Großzügigkeit der Meerjungfrau.
Rowohlt, Mai 2018.
224 Seiten, Gebundene Ausgabe,24,00 Euro.
Diese Rezension wurde verfasst von Andreas Schröter.