Clark Ashton Smith ist heutzutage, auch in seiner Heimat, nur einem kleinen Kreis von Kennern ein Begriff.
Anfang der 70er Jahre veröffentlichte Lin Carter in der von ihm betreuten Ballantine Adult Fantasy einige Sammelbände, vor rund 10 Jahren kamen bei der Wildside Press dann erneut einige wenige Titel heraus.
Es ist ein Unding, dass ein Autor, der zusammen mit Robert E. Howard und H. P. Lovecraft das Triumvirat, das Weird Tales zum bedeutendsten und bahnbrechendsten Periodikum für phantastische Literatur machte, in seiner Heimat ein solch unverdientes Schattendasein führt. Seine Geschichten waren über Jahrzehnte allenfalls antiquarisch zu ergattern, sein Oeuvre war und ist fast vergessen.
Erst in Anfang des neuen Jahrtausends erschienen die lang vergriffenen Geschichten Smith´ in chronologischer Reihenfolge und von Scott Conners und Ron Hilger kommentiert im Verlag der Night Shade Books. Auch diese in relativ geringer Zahl gedruckte Liebhaberausgabe war schnell vergriffen, so dass dort gegenwärtig eine Neuauflage vorbereitet wird. Aus dieser Edition wurden die Erläuterungen zu den Erzählungen übernommen.
Der 1893 geborene und 1961 verstorbene Smith schuf in seiner im Wesentlichen von 1926 bis 1935 andauernden literarischen Schaffensphase – später wandt er sich der bildenden Kunst zu – rund 120 Erzählungen, von denen die allermeisten bei Festa das erste Mal in einer deutschen Übersetzung vorliegen.
Für diese hat man erneut auf die Creme de la Creme der deutschsprachigen Weird-Fiction zurückgegriffen, Autoren, die selbst immer wieder mit eigenen Werken bewiesen haben, dass sie atmosphärisch dicht und inhaltlich angsteinflößend zu fabulieren wissen, und die die Geschichten kongenial ins Deutsche übertragen.
Wie in den ersten Sammelbänden enthält auch vorliegendes Buch wieder diverse Geschichten die keinem der drei großen Erzählzyklen des Autors zuzurechnen sind.
Hier erwartet den Leser, wie bei Smith nicht anders zu erwarten, in ständig neuen Abwandlungen der Einbruch des Übernatürlichen in die bekannte Welt.
Sei es, dass ein verhasster Nebenbuhler in einer Parallelwelt umgebracht werden soll (ohne Leiche kein Verbrechen), sich ein Künstler nicht nur von seinem Modell, sondern auch von Dämonen inspirieren lässt, oder einmal mehr eine große Liebe dafür sorgt, dass dem Verhängnis Tür und Tor geöffnet wird, die Stories leben von dem Alltag, in den das Übernatürliche einbricht, oder aus dem der Erzähler ins Grauen gelangt. Diese Gegenüberstellung der bekannten Realität mit dem Grauen, das den Leser, ganz anders als bei Lovecraft nicht übersteigert erschlägt, sondern in einer seltsamen, nie wieder erreichten, fast visionär zu nennenden Fremdartigkeit verblüfft, rührt an existentielle Ängste und beeindruckt durch die innewohnende Kraft und Fremdartigkeit.
In diesen Band haben die Herausgeber zudem sämtliche Geschichten Smith´ aufgenommen, die in der fiktiven französischen Provinz Averoigne angesiedelt sind.
Wie uns Will Murrey in der beigegebenen Einleitung zu diesen Geschichten so treffend erläutert, stellen diese einige der interessantesten Schöpfungen des Autors dar. Lovecraft schalt zwar eine historische Ungenauigkeit, lobte die Geschichten aber als in einem „sagenhaften, vampirverseuchten Landstrich namens Averoigne im Frankreich des Mittelalters“ spielend und Smith selbst zählte einige der Stories zu seinen besten Arbeiten.
Und wirklich lesen sich diese Erzählungen – immerhin hat der Autor elf kurze und längere Textstücke in der fiktiven südfranzösischen Gegend angesiedelt – auch heute noch, weit über 70 Jahre nach ihrer Entstehung, faszinierend zeitlos.
In einer mittelalterlichen Umgebung angesiedelt, in der das Christentum Fuss gefasst hat, berichtet Smith uns von der Begegnung seiner Protagonisten mit dem Übernatürlichen.
Dabei kommt dem Autor nicht nur die wildromantische Gegend mit dem hohen Gebirgen, jeder Menge Ruinen und den vielen Höhlen zupass, auch der undurchdringliche, urwüchsige Wald dient als Heimat, Rückzugsort und Schauplatz für seine magischen Wesen.
Und hier wartet so einiges auf den Leser – seinen es finstere Magier, wandelnde Leichen, Zauberer und Loup-Garous, Vampire, lebendige Gargoyles, Zeitreisen und ein künstlicher Golem, aufgefahren wird, was in der aktuellen phantastischen Literatur bekannt und beliebt ist. Das unterscheidet sich inhaltlich nicht sonderlich von heutigen Fantasy-Epen, allenfalls Smith´ Neigung, das Grauen das seine Menschen überfällt eindringlich und überzeugend zu zeigen, und diese nicht einfach als Helden obsiegen zu lassen, nehmen sich ungewohnt realitätsnah aus.
Immer wieder nutzt Smith dabei als Motiv die Liebe und die Lust, beschreibt, anders als in seinen anderen großen Zyklen eine Welt, die uns vertraut ist, in die Naturgeister und Dämonen einbrechen. Auffällig des weiteren, dass der Autor die Kirche und deren Würdenträge gerne und ausgiebig als hilflose Opfer des Übernatürlichen porträtiert.
So ist dieser vierte Sammelband von Erzählungen aus der Feder Smith´ nicht nur für Fans der Weird Fiction eine Lektüre wert, auch Freunde der Fantasy werden hier so manche Vorlage für spätere Werke anderer Autoren finden und sich schnell heimisch fühlen.
Noch einmal ausdrücklich hingewiesen sei an dieser Stelle die sehr werkgetreuen, einfühlsamen Übersetzungen der damit Befassten.
Clark Ashton Smith: Die Bestie von Averoigne: Gesammelte Erzählungen.
Festa Verlag, Oktober 2015.
464 Seiten, Gebundene Ausgabe, 28,00 Euro.
Diese Rezension wurde verfasst von Carsten Kuhr.