Der Buchschnitt-Hype macht vor nichts halt, nicht mal vor Elizabeth Zott – die dafür, glaube ich, wenig Verständnis gehabt hätte. Dabei ist die Neuausgabe wirklich hübsch mit dem türkisen Buchschnitt und den Buchstaben, die ans Periodensystem der Elemente erinnern. Geblieben ist das Foto auf dem Titel, das schon bei der Erstauflage an die typischen 50er Jahre Nachkriegsbücher erinnert und so gar nicht zu dem Buch passt. Die Aufmachung hat mich damals von dem Buch lange abgehalten.
Elizabeth Zott ist Chemikerin im Jahre 1961. Sie arbeitet an einem der renommiertesten Labors des Staates – natürlich nicht als Chemikerin, sondern als Laborhilfe. Das ändert sich erst, als sie mit dem Superstar des Labors zusammenarbeitet, der zwar ebenso verschroben wie erfolgreich ist, aber ihr Talent erkennt. Er fördert sie, bis er es eben nicht mehr kann. Danach ist sie wieder auf sich selbst gestellt und die Diskriminierung beginnt von vorne. Bonnie Garmus lässt wenig aus, was die Unterdrückung von Frauen in den 60ern angeht. Elizabeth wird zur Schreibkraft degradiert, ihre Forschungsergebnisse werden ungefragt von ihren männlichen Kollegen ausgeschlachtet, schließlich muss sie gehen.
Warum ist Elizabeth anders als all die anderen Protagonistinnen, die die 50er und 60er Jahre bevölkern und von Männern unterdrückt werden? Weil sie die Unterdrückung weder hinnimmt, noch aktiv dagegen kämpft, zumindest nicht bewusst. Ihr ist schon klar, dass ihr vieles nur passiert, weil sie eine Frau ist. Es ärgert sie durchaus, dass sie als Wissenschaftlerin nicht ernst genommen wird, aber wenig liegt ihr ferner, als sich für Feminismus einzusetzen, und tut es doch. Alles was sie will ist forschen und sie braucht nur genug Geld, um sich und ihr Kind gut zu ernähren. So landet sie eines Tages beim Fernsehen und bei einer Kochshow. Sie nimmt ihr Publikum ernst und dieses liebt sie dafür. Elizabeth erklärt die Rezepte aus der Sicht einer Chemikerin, wissenschaftlich, und erreicht damit zwei Dinge: Zum ersten gibt es fast eine Gelinggarantie, zum zweiten fühlen die Frauen vor dem Bildschirm sich ernstgenommen, wahrgenommen, denn Elizabeth weiß, wie man sich fühlt, wenn die Kinder nicht aufhören zu schreien und der Haushalt noch gemacht werden will. Sie stuft ihr Publikum herauf von „dein Mann leistet und mach es ihm gefälligst schön“ zu „du leistest und ich kann dir zeigen wie es leichter geht“. Und sie lieben sie dafür.
Die Geschichte ist ein Roman. Sie ist konstruiert – natürlich ist sie das. Aber sie ist anders konstruiert als all die Geschichten von Frauen, die gegen Windmühlen kämpfen und wenn sie was erreichen, dann nur Freiheit für sich selbst (oder sie wachen morgens auf und wollen die gesamte Gesellschaft umkonstruieren, was manchmal noch schlimmer ist). Elizabeth lebt einfach, manchmal erfolgreich, manchmal tragisch, manchmal glücklich, manchmal verzweifelt, aber immer sie selbst – und genau das macht sie aus.
Ein toller Roman über eine Feministin, die nie daran gedacht hat, eine zu sein. Witzig ist er übrigens auch. Die Verfilmung läuft gerade als Serie auf Disney+ und lohnt sich auch.
Spoiler: Halbsieben geht es gut.
Bonnie Garmus: Eine Frage der Chemie
Aus dem Englischen übersetzt von Klaus Timmermann, Ulrike Wasel
Piper, November 2023 (Schmuckausgabe)
480 Seiten, Schmuckausgabe, 26 Euro
Diese Rezension wurde verfasst von Regina Lindemann.