Schon als Kind hat Mahit Dzmare in ihrer Heimat, einer großen Raumstation, das teixcalaanlische Imperium verehrt. Jahrelang hat sie jedes Gedicht, das den Zentralplaneten verließ verschlungen, begutachtet und auswendig gelernt. Sie hat sich vorbereitet, eines Tages im Auftrag der Lsel-Station ins Imperium zu reisen nicht ahnend, dass sie mit Anfang zwanzig auserwählt wird, den dortigen Botschafter zu ersetzen.
Mit dem Imago, das die implantierte, integrierte Erinnerungen ihres verstorbenen Vorgängers gespeichert hat, sollte ihr der Start und das Lavieren auf dem diplomatischen Parkett eigentlich erleichtert werden, allein, der höchst geheime neuronale Gedächtnis-Speicher fällt aus, und sie aus allen Wolken. Kaum am Herrschersitz angekommen, muss sie nicht nur erkennen, dass ihr Vorgänger Yskandr ermordet wurde, sondern, dass er auch das größte Geheimnis der Lsel-Station verraten und geheime Geschäfte mit dem Imperator gemacht hat. Mehr noch, in ihrer ersten Woche in der Hauptstadt wird sie gefangen gesetzt, manipuliert, erpresst und ist Ziel von nicht weniger als zwei fast erfolgreichen Mordanschlägen.
Als die Auseinandersetzung um die Nachfolge des sterbenden Imperators ausbricht, findet sich unsere unerfahrene Diplomatin unverhofft und fast aber nur fast ein wenig hilflos mitten im Geschehen .
Was ist das für ein Roman, der zunächst einmal ungewöhnlich daherkommt? Ungewöhnlich deshalb, weil die Zivilisation, die uns die Autorin vorstellt, nicht der üblichen Norm entspricht. Ein wenig erinnert diese an die klassischen Chinesischen Dynastien, alles ist sehr formell, man spricht gerne und viel in Reimen, selbst die Namen sind klingende Bilder. Auch die Auseinandersetzungen finden, zumindest vordergründig, verbal im Dichtwettstreit statt. Dahinter aber verbirgt sich dann ein Abgrund aus Hass, tödlichen Intrigen und Geltungssucht.
So liest sich der Roman dann auch eher wie ein Thriller, als wie eine Space Opera – auch wenn am Rande Invasoren und Raumflotten vorkommen. Beide bleiben für die eigentliche Handlung eher unwichtig, konzentrieren wir uns doch auf unsere Erzählerin. Dieser folgen wir willig und interessiert dabei, sich in der ihr noch recht unbekannten Welt zurechtzufinden, zu erlernen, wie man sich in dieser bewegt, wem sie trauen kann, wen fürchten und wem sie besser aus den Weg gehen soll. Die Faszination kommt über die beschriebene Gesellschaft, die von der unsrigen so verschieden ist.
Dabei punktet die Verfasserin mit ihren Figuren. Neben Mahit, die natürlich im Zentrum steht, sind es ihre Helfer, Verbündeten und Gegner, die uns in ihrer Fremdheit fesseln. Wir versuchen sie, zusammen mit der Protagonistin, einzuordnen, versuchen aus den Hinweisen, die der Plot für uns bereit hält, ein Bild und eine Einschätzung zu bekommen.
So ist dies ein Roman der eher leisen, aber nicht minder dramatischen Töne, ein Buch, das uns eine fremde Welt ohne groß Aliens zu nutzen vorstellt und spannend und interessant unterhält. Und nicht zuletzt ein Roman, der von Jürgen Langowski vorzüglich ins Deutsche übertragen wurde – und dies dürfte gar nicht einfach gewesen sein.
Arkady Martine: Im Herzen des Imperiums.
Heyne, November 2019.
608 Seiten, Taschenbuch, 14,99 Euro.
Diese Rezension wurde verfasst von Carsten Kuhr.