Ich muss diese Rezension damit beginnen, dass ich ein glühender Fan von Andreas Eschbach bin. Nicht nur, dass seine Romane stets hochpolitische und aktuelle Themen aufgreifen, sie sind auch durchweg irre spannend und wahnsinnig gut geschrieben. Mein absoluter Favorit ist sein Roman „Todesengel“.
Von daher hat es fast etwas von Sakrileg, an einem seiner Romane herumzumäkeln. Doch in der Tat hat mich sein neuer Roman nicht so gepackt wie seine vorherigen, obwohl er sich mit einem ebenso brisanten wie heiß diskutierten Thema befasst.
In diesem neuen Roman dreht sich alles um das sogenannte Freiheitsgeld. Wir befinden uns im Jahr 2064, niemand muss mehr arbeiten, wenn er oder sie nicht will. Vor etlichen Jahren wurde dieses Geld eingeführt, ein bestimmter monatlich ausgezahlter Betrag, den jeder Mensch in Europa bekommt, sobald er oder sie 18 wird. Die Arbeit, die die Menschen nicht mehr machen (wollen), wird von Robotern erledigt, wie beispielsweise die Krankenpflege oder ähnliches. Auch der ÖPNV ist automatisiert und kommt ohne Personal aus.
Die Kehrseite ist die Finanzierung dieses Freiheitsgeldes. Diese basiert auf immens hohen Steuern, die diejenigen, die eben doch noch arbeiten, zahlen müssen. Eingeführt hat das Freiheitsgeld der damalige Bundeskanzler und spätere Präsident der EU, Robert Havelock. Der ist inzwischen 95 Jahre alt und wohnt in der sogenannte Oase. Das ist eine in Zonen eingeteilte, hermetisch geschlossene Wohneinheit für Privilegierte. Darin gibt es je nach Zone abgestuften Luxus, von dem die Ausgeschlossenen nur träumen können.
Die Handlung des Romans verfolgen wir auf verschiedenen Perspektiven, mit ganz verschiedenen Figuren. Da ist einmal der Polizist Ahmed Müller, der von der Steuerfahndung in die Abteilung Gewaltverbrechen wechselt. Da sind Valentin und Lina, jung verheiratet und gerade in der Oase eingezogen. Und da sind Therese und Kilian, die früheren Bewohner der Wohnung, welche Valentin und seine junge Frau gerade bezogen haben. Sie mussten die Oase aufgrund eines Scherbengerichts verlassen.
Alle diese Figuren haben in der einen oder anderen Form mit dem Freiheitsgeld zu tun, die einen möchten es nicht mehr missen, die anderen grübeln noch darüber, ob es etwas Gutes oder eher etwas Negatives ist.
Schließlich wird Robert Havelock tot aufgefunden und der Journalist Günter Leventheim kurz darauf ebenso. Die beiden alten Männer waren früher heftige Widersacher, der eine vehementer Verfechter des Freiheitsgeldes, der andere absoluter Gegner. In die Aufklärung der Todesfälle wird Ahmed Müller eingebunden und auch die anderen Figuren geraten in die Ermittlungen.
All das klingt spannend und könnte es auch sein. Nur, wenn auf Seite 190 immer noch nichts passiert ist und die so gut wie nicht vorhandene Handlung aus ständig wechselnden Perspektiven besteht, die jeweils nur den aktuellen Status quo und die Befindlichkeiten der jeweiligen Figur schildern, dann ist das für mich etwas zu viel Setting und Atmosphäre und zu wenig Plot. Auch wenn natürlich die Welt im Jahr 2064 erstmal gebührend erläutert werden muss, etwas mehr Action darf es schon sein, Andreas Eschbach. So, wie wir es sonst gewöhnt sind und lieben.
Die Figuren bleiben leider auch seltsam fremd, auf Distanz, als wären sie jeweils nur das Medium, um die diversen Blickwinkel auf das Thema zu vermitteln. Es gibt viel endlose Debatten, seitenlange Gespräche und Diskussionen, Erklärungen, die zäh und überfrachtet sind. Insgesamt fehlte mir der Thrill, die Spannung, der Dampf.
Fazit: ein im Hinblick auf die Themenwahl typischer Eschbach, aber ohne fesselnde Dramatik.
Andreas Eschbach: Freiheitsgeld.
Bastei Lübbe, August 2022.
528 Seiten, Gebundene Ausgabe, 25,00 Euro.
Diese Rezension wurde verfasst von Renate Müller.