Alvie hatte es im Leben noch nie leicht. Mittlerweile ist sie 17 Jahre alt und lebt in einer eigenen Wohnung, ist so gut wie eine auf sich ganz allein gestellte Erwachsene. Dann kann sie endlich tun und lassen, was sie will. Doch kann sie dann auch keine Hilfe mehr in Anspruch nehmen und muss das Leben allein meistern. Und das hat so seine Tücken. Mehrmals wollten Ärzte und Psychologen Alvie schon das Asperger-Syndrom diagnostizieren. Ja, mit Menschen zu kommunizieren fällt Alvie zugegeben schwer. Mit Tieren ist es viel einfacher und die junge Frau liebt ihren Job im Wildpark. Dann fordert ihr Sozialarbeiter Alvie dazu auf, sich Freunde und soziale Kontakte zu suchen. Alvie wählt den 19-jährigen Stanley als ihr „Opfer“ aus. Er soll mit ihr schlafen, die einfachste Sache auf der Welt. Das wird Alvie doch wohl noch hinbekommen …
J. Steigers Roman stellt zwei ganz besondere junge Menschen in den Mittelpunkt der Handlung. Alvie hat eine soziale Behinderung in Form des Asperger-Syndroms, eine Form des Autismus. Sie ist lieber für sich oder unter Tieren. Soziale Interaktion fällt ihr schwer und sei es nur im Supermarkt an der Kasse. Sex hat sie schon bei Tieren beobachtet und selbst die bekommen das hin. Warum sollte also sie selbst das nicht auch schaffen? Menschliche Berührungen und Gefühle sind für Alvie aber ein sehr schwieriges Thema und kaum auszuhalten. Als sie Stanley durch Zufall immer wieder in ihrem Lieblingspark beobachtet, fasst sie ihren Entschluss. Er soll mit ihr ins Bett steigen, mehr nicht. Alvie will sich lediglich beweisen, dass sie es kann. Aus dem vermeintlichen One-Night-Stand wird dann aber sehr viel mehr, was Alvie nicht geplant hat.
Stanley selbst hatte es bisher im Leben ebenfalls nicht einfach. Er selbst hat auch eine Krankheit, die hier aufgrund der Spannung nicht näher benannt werden soll. Er ist aber – im Gegensatz zu Alvie – ein Kämpfer und beißt sich durchs Leben. Er macht Alvie Mut, etwas zu wagen und über ihre Grenzen hinweg zu gehen. Die beiden jungen Menschen helfen sich schließlich gegenseitig ins Leben, bis es zur Katastrophe kommt.
„Jeder von uns ist ein Rätsel“ ist ein wirklich schöner Roman über das Erwachsenwerden, den Umgang mit eigenen Grenzen und Freundschaft im Allgemeinen. Alvie als Protagonistin gibt dem Roman eine besondere Note, da ihre Beeinträchtigung mehr als greifbar wird und alles in ihrem Leben bestimmt. Manchmal möchte man sie als Leserin oder Leser rütteln und schütteln und zur Besinnung bringen. Aber Alvie ist eben Alvie und macht alles auf ihre Art und Weise. Jugendliche ab etwa 14 Jahren und interessierte Erwachsene werden Alvie und die Geschichte in ihr Herz schließen! Es bleibt zu hoffen, dass die amerikanische Autorin bald weitere Jugendromane dieser Art schreiben wird.
Alle Daumen nach oben – eine klare Empfehlung!
A. J. Steiger: Jeder von uns ist ein Rätsel.
Carlsen, November 2018.
400 Seiten, Gebundene Ausgabe, 18,00 Euro.
Diese Rezension wurde verfasst von Janine Gimbel.