Thomas Ziebula: Abels Auferstehung

„Die große Kreuzung […] war von demonstrierenden Menschen, berittenen Soldaten und Kraftwagen der Reichswehr verstopft. Gewerkschaften und linke Arbeitervereine protestieren gegen die geplante Erhöhung der Fahrpreise für die Elektrische und die Besetzung Leipzigs durch General Maerckers Truppen. Geschrei, Sprechchöre und Schüsse waren zu hören.“ (S. 443)

In Leipzig brodelt es. 1920 stehen viele Veränderungen an. Während in der Politik mit harten Bandagen gekämpft wird, kommen traumatisierte Soldaten aus der Gefangenschaft zurück. Jeder von ihnen braucht einen Brotberuf. Doch nicht jeder bekommt auch einen. Gleichzeitig werden viele Frauen aus ihrem Beruf und in die Verarmung gedrängt. Auch die Karriere von Kommissarinspektor Paul Stainer ist in Gefahr. Nach der Beerdigung seiner Frau muss er den Mord an einen Künstler aufklären, der sich vor kurzem duelliert hat.

Weitere Morde folgen, und es sieht so aus, als handele es sich um einen Einzeltäter. Während Stainer und seine Kollegen nach dem verbindenden Motiv suchen, intrigieren ein paar seiner Kollegen gegen Stainer. Ihm droht die Degradierung.

Thomas Ziebula schickt seine Leser auch in seinem zweiten Kriminalroman in die Vergangenheit. Sein Kriminalinspektor Paul Stainer kämpft mit den Folgen traumatischer Erlebnisse und trauert um seine Edith. Der Autor zeigt einen sympathischen, klugen Ermittler, der viele Widrigkeiten gleichzeitig händelt.

Neben Stainer sind auch alle anderen Charaktere schön ausgearbeitet und könnten echte Menschen sein. Selbst die Nebenfiguren haben eine erkennbare Biografie, so dass ihre Wünsche und Motive für ihr Handeln nachvollziehbar sind. Das Gleiche gilt für das Lokalkolorit, das eine spannende und unterhaltungsreiche Zeitreise vervollständigt. Seine Frauenfiguren wie zum Beispiel die furchtlose Reporterin oder Rosa Sonntag, eine Barbesitzerin, Künstlerin und Sängerin, machen bei der Lektüre Freude. Es sind eigenständige Frauen, die für ihre Ziele zu kämpfen wissen. Stainer begegnete Rosa bereits im ersten Kriminalroman, als diese entführt wurde und getötet werden sollte.

Thomas Ziebula, der bereits sehr erfolgreich Fantasy- und historische Romane geschrieben hat, legt seine Geschichten auf ein breites Fundament, in dem verschiedene Erzählperspektiven die Handlung auf scheinbar natürliche Weise vorantreiben. Der in jeder Hinsicht gelungene Kriminalroman zeigt ein quirliges Stadtleben mit vielen Facetten.

Auch wenn der zweite Roman eine eigenständige Geschichte hat, empfiehlt es sich, zuerst mit dem ersten Buch Der rote Judas zu beginnen. Denn es bereitet große Freude, die Entwicklung einiger Charaktere zu begleiten.

„Ich kenne nur wenige Gäste mit Nachnamen, weißt du? Studenten sowieso nicht, es sei denn, sie werden später Oberbürgermeister, Regierungsrat oder Bankdirektor oder schlagen sonst irgendeine Verbrecherkarriere in Leipzig ein.“ (S. 161)

Thomas Ziebula: Abels Auferstehung.
Wunderlich, Januar 2021.
464 Seiten, Gebundene Ausgabe, 20,00 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Sabine Bovenkerk-Müller.

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