Roshani Chokshi: Die silbernen Schlangen

Wir befinden uns im Europa des Jahres 1889. Im Schatten der Weltausstellung hat der Lebemann, Mäzen und Behèmian Séverin Montagnet-Alarie schon einmal gegen eine höchst geheime Organisation gekämpft. Letztlich ging es darum, die Schergen des gefallenen Hauses daran zu hindern, dem Orden von Babel bestimmte Relikte zu entreissen und sich damit zu Weltherrschern aufzuschwingen. Der tragische Kampf kostete Séverin seinen geliebten Bruder, brachte ihn und seine drei Verbündete aber auch auf die Spur eines verschollenen Artefakts. Im schlafenden Palast soll es zu finden sein – die Rede ist vom dem sagenumwobenen Buch der göttlichen Lyrik, mit dessen Hilfe sich Menschen zu Göttern erheben können. Einst, einer der obersten Steine im legendären Turm zu Babel hätte das Artefakt, so es denn überhaupt existiert, die Macht, die Welt buchstäblich aus ihren Angeln zu heben und sie neu zu schaffen.

Die Suche führt sie tief in den Osten – es geht in die Eiswüste Süd-Sibiriens. Hier, nahe Irkutsk am Baikalsee soll die Schlafende Palast mit seinen märchenhaften Schätzen zu finden sein. Begleitet von Abgesandten des Ordens von Babel machen sich unsere Freunde auf, die Spur bis an ihr Ende zu verfolgen – und finden weit mehr, als erwartet …

Die Handlung könnte man auch kürzer zusammenfassen – ein Gruppe von Freunden begibt sich auf Schatzsuche, trifft dabei auf Intrigen, Geheimnisse und Verrat satt, entzweit sich und findet doch wieder zusammen – Fortsetzung folgt. Zutreffend, prägnant ausgedrückt und doch würde man dem Roman in keinster Weise gerecht. Nein, Roshani Chokshi setzt da an, wo sie mit ihren vorhergehenden Band aufgehört an. Sie präsentiert uns die schillernde Welt der Bohèmiens, des savoir-vivre, reichert diese mit jeder Menge Geheimnisse und Intrigen an und zieht uns über und mit ihren vier unterschiedlichen Erzählern tief in diese Welt hinein. So sind es einmal mehr die Figuren, die uns faszinieren – nicht, dass der Plot per se nicht auch packend und unheimlich spannend wäre.

Obwohl nicht wirklich viel passiert, sind wir an die Seiten gebannt, wollen wissen, was die Motivation hinter der jeweiligen Handlung ist, wie die Puzzleteile zusammenpassen, wie wir Figuren und Geschehnisse einordnen sollen.

Vom Paris der Jahrhundertwende ging es dieses Mal in einen russischen Eispalast, ein Wechsel, der eigentlich nicht unbedingt für zusätzliche Faszination sorgen würde, wenn der Palast des gefallenen Hauses nicht jede Menge Überraschungen der tödlichen Art für seine Erforscher bereit halten würde. Sprich, das Worldbuilding, wie es neudeutsch so schön heißt, präsentiert uns eine Kulisse, die eine sparkelnde Bühne für die Handlung abgibt.

Bezüglich der Kämpfe hat sich die Autorin dieses Mal ein wenig zurückgenommen und den so gewonnen Platz dafür genutzt, uns ihre Charaktere noch genauer zu zeichnen. Dezidiert wird ihre jeweilige Historie und die Motivation aufgezeigt, dabei immer wieder auch auf Diskriminierung und Ausbeutung hingewiesen, ohne dass diese Passagen aufgesetzt wirken würden. Die Gruppendynamik steht deutlich im Vordergrund, die jeweilige Handlungen überraschen den Leser immer wieder – werden aber in der Nachschau einleuchtend erklärt.

Das Äußere des Buches ist ein Hingucker – anders kann man es nicht sagen! Präge-Spot-Lackierung von blutgeschmiedetem Eisen (Leser des ersten Teils wissen, um was es sich hier handelt) umranken auf dem Cover den Palast, das passt wunderbar zum Inhalt.

So bleibt als Fazit, dass der zweite Teil der Trilogie stilistisch wie inhaltlich überzeugt, dass auf den Leser phantastischen Ideen, faszinierenden Figuren und jeder Menge Rätsel warten.

Roshani Chokshi: Die silbernen Schlangen.
Arctis, Januar 2021.
368 Seiten, Gebundene Ausgabe, 19,00 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Carsten Kuhr.

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