Leonie Swann: Mord in Sunset Hall

Lillith hat gemeinsam mit Agnes (der das Haus gehört), dem Marschall, Winston, Bernadette, Edwina und der Schildkröte Hettie in der Senioren-WG in Sunset Hall gelebt. Jetzt liegt sie tot im Gartenschuppen. Und als ob das nicht schon aufregend genug wäre, klingelt erst ein Jungspund, der Agnes das neue Seniorenzentrum Lindenhof schmackhaft machen möchte, dann schneit die Polizei herein und zuletzt kommt noch die neue Mitbewohnerin Charlie mit ihrem riesigen Hund Brexit und einer ganzen Menge Gepäck.

Die Polizisten möchten die alten Leute eigentlich nur vor einem Verbrecher warnen, dem im (ein Stück entfernten) Nachbarhaus Mildred Puck zum Opfer gefallen ist. Aber da sie nun schon da sind, erzählt Agnes ihnen auch gleich von der toten Lillith. Außerdem ist sie geschockt. Mildred war eine Jugendfreundin, mit der sie allerdings schon lange nichts mehr zu tun hatte. Zum einen war Mildred nach einem Schlaganfall bereits seit einigen Jahren ein schwerer Pflegefall, zum anderen war sie schon vorher nicht mehr auf Agnes‘ Wellenlänge gewesen.

Auch Lilliths Tochter macht Stress. Sie möchte unbedingt wissen, was genau passiert ist. Aber die Vereinbarungen innerhalb der WG sind so speziell, dass man sie Fremden auf keinen Fall auf die Nase binden möchte. Außerdem sind sich die Bewohnerinnen und Bewohner selbst nicht ganz sicher, was geschehen ist. Es gibt nämlich immer mal wieder Ausfälle im Gedächtnis oder beim Hören (wenn bei Agnes der hohe Ton im Ohr alles andere übertönt). Zum Beispiel weiß der Marschall am Anfang nicht mehr, wo er seine Pistole hingelegt hat.

Da die meisten in der WG in ihrem Berufsleben Erfahrungen mit der Verbrecherjagd gemacht haben, beschließen sie, die Polizei (ganz im Geheimen und ohne sie davon in Kenntnis zu setzen) zu unterstützen und stellen eigene Nachforschungen an. Sie beginnen beim Kaffeetreff im nahegelegenen Ort Duck End, der schon immer ein guter Umschlagplatz für Klatsch und Tratsch war.

„Mord in Sunset Hall“ beginnt turbulent und bleibt es auch. Doch dazwischen gibt es immer wieder ruhigere Szenen, in denen vor allem die Gebrechen des Alters thematisiert werden. Da geht es um Erinnerungslücken, die immer größer werden, um schmerzende Hüften und die Frage, wann ein Leben nicht mehr lebenswert ist. Besonders bei Agnes spielen die Gedanken an die Vergangenheit eine große Rolle. Die Autorin Leonie Swann hat skurrile, unverwechselbare Figuren mit vielen Eigenheiten geschaffen wie die Yoga-Queen und Schildkröten-Liebhaberin Edwina, die allerdings sonst nicht mehr viel auf die Reihe bekommt, oder die geheimnisvolle, beleibte Cremehütchen-Esserin Bernadette, die zwar blind ist, aber ein unbestechliches Gehör, einen messerscharfen Verstand und eine Vergangenheit beim Geheimdienst (oder auf der anderen Seite des Gesetzes) hat.

Das Ganze liest sich meist flott und unterhaltsam, stellenweise auch nachdenklich, ist allerdings nicht sonderlich spannend, weil der Kriminalfall zeitweise aus dem Blick gerät. Die WG-Mitglieder haben manchmal einfach andere Sachen im Kopf. Mir persönlich scheinen manche Szenen sehr gewollt originell, hier kommen die Skurrilität und der Witz plakativ daher und nicht mit feinem britischem Unterstatement oder trockenem Humor, die besser zum Umfeld passen würden. Zudem gibt es doch ein paar Umstände, die für mich so unwahrscheinlich sind, dass ich in der einen oder anderen Passage kurz schlucken musste. Vielleicht muss man das Ganze einfach etwas märchenhaft sehen.

„Mord in Sunset Hall“ hat mich nicht uneingeschränkt überzeugt, aber ich habe es gerne gelesen. Für Liebhaber*innen des Genres kann ich das Buch durchaus empfehlen.

Leonie Swann: Mord in Sunset Hall.
Goldmann, Mai 2020.
448 Seiten, Gebundene Ausgabe, 20,00 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Beate Fischer.

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