Karosh Taha: Im Bauch der Königin

Dieses Buch lässt sich in die Coming-of-Age-Romane einreihen.  Erzählt wird aus Sicht der beiden jungen Migranten Raffiq und Amal. Karosh Taha gibt treffende Einblicke in deren Konflikte innerhalb ihres muslimisch geprägten Wohnviertels und in die  jeweiligen Familienstrukturen. Die Probleme der Protagonisten sind keineswegs nur ihrer adoleszenten Phase, in der sie mittendrin stecken, geschuldet. Außer dem wachsenden Auflehnen gegen die Erwartungshaltungen der Eltern müssen sie sich mit ihrer Ambivalenz zwischen zwei Kulturen und dem anstehenden Umbruch mit Richtungs- und Wegfindung nach dem Abitur auseinandersetzen.

Shahira, die Mutter ihres gemeinsamen Freundes Younes, spielt eine tragende Rolle im Plot. Shahira geht ihren eigenen Interessen in dem von dominierenden Männern geprägten muslimischen Wohnviertel nach. Sie kleidet sich freizügig und pflegt viele unterschiedlichen Männerbeziehungen. Die anderen Frauen verachten und meiden Shahira deshalb, ihre Männer begehren sie. Ihrem Sohn Younes, der die Männerfreundschaften seiner Mutter mit den verschiedenen Onkels lange nicht durchschaut, ist sie eine liebende Mutter.

Die junge Amal fühlt sich schon als Kind von den unterschiedlichen Kulturen zwischen denen sie aufwächst, überfordert. Ihr Vater, ein Architekt, geht zurück nach Kurdistan, weil seine berufliche Qualifikation in Deutschland nicht anerkannt wird und er sein Geld als einfacher Arbeiter ohne gesellschaftliche Anerkennungen verdient. Amals Mutter wünscht sich für ihre Tochter ein freiheitlicheres Leben als es im Irak für sie möglich wäre und weigert sich, dem Vater in die alte Heimat zu folgen. Nachdem dieser dort eine zweite Familie gründet, flüchtet sie sich – hauptsächlich wegen ihrer männlichen Landsleute – in den islamischen Glauben und trägt wieder ein Kopftuch. Das junge Mädchen schämt sich für die Schwäche und Abhängigkeit der Mutter samt deren gebrochenem Deutsch. So geht Amal von Anfang an ihren Weg mit Widerständen, Auflehnung und Provokationen.

Der zweite Erzählstrang wird aus Sicht des Jungen Raffiq geschildert. Raffiq besucht mit Younes zusammen denselben Boxclub. Mit Younes und Amal verbindet ihn das Wohnviertel, die Schule und natürlich der Migrantenhintergrund der Eltern mit den kurdischen Wurzeln. Seine Betrachtungsweisen sind typisch männlich geprägt aber insgesamt gemäßigter, was diesem Erzählstrang auch die Verve nimmt, die Amal verströmt.

Karosh Tahas Schilderungen lesen sich echt und lebensnah. Mit den aufgezeigten unterschiedlichen Lebensmustern der Mütter, den dominanten Vaterfiguren und den Konflikten der nachwachsenden Generation zeigt sie in den Denkmustern ihrer Figuren die Möglichkeiten und Diskrepanzen verschiedener Lebensentwürfe und -planungen auf. Ihre junge, freche Sprache verleiht der Dramatik in der Handlung etwas amüsant Befreiendes.

Karosh Taha: Im Bauch der Königin.
DuMont Buchverlag, April 2020.
250 Seiten, Gebundene Ausgabe, 22,00 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Annegret Glock.

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