Auch Hildegunst von Mythenmetz, gefeierter Autor muss schlafen. Und wie all seine Bewunderer auch träumt er. Von was solch eine Koryphäe des wohl gesetzten Wortes träumt wollen sie jetzt wissen? Nun, Hildegunst träumt natürlich von einem Buch. Er selbst wird in ein solches verschleppt, und trifft dort auf einen Buchling. Hildegunst zwei, wie der Gute sich nennt, hat sich auf das Werk seines Namenspatrons spezialisiert, hat es auswendig gelernt um den Dichter zu ehren.
Hildegunst ist, wenngleich er sich dies nicht anmerken lassen will, geschmeichelt. Er fordert den Buchling auf mehr von sich zu erzählen. Und dieser zieht vom Leder – in der Schulstunde hörte er die Legende von Nathaviel, dem Bücherdrachen, der tief unten im Stollenlabyrinth leben soll. In seine Haut sind ganze Bibliotheken alter, verschollener Klassiker eingefügt, die er durch das Bad ihm Ormsumpf in sich aufgenommen haben soll. Dass ihm eine, nein, die ultimative Frage an den Drachen einfällt veranlasst seine Mitschüler ihm zu offenbaren, dass die Mär wahr ist. So begibt sich unser Buchling auf den gefahrvollen Weg zum Sumpf – um dort tatsächlich auf den legendären Buchdrachen zu stoßen …
Fließt der Orm, oder eher nicht? Die letzten Bücher aus der Feder Walter Moers hatten unstrittig nicht das Niveau der früheren Titel. Gerüchte über eine Erkrankung des Autors machten die Runde, später wurde spekuliert, dass Walter Moers nur ein Pseudonym einer Gruppe von Autoren sei, deren begnadetster Verfasser sich zurückgezogen habe. Blödsinn. Ich hatte vor einigen Jahren die Gelegenheit mit Walter Moers ein Interview zu machen und kann bestätigen, dass es die Person Moers tatsächlich gibt. Dass seine neuesten Werk ein wenig das Besondere der frühen Bücher vermissen lassen ist eine mehr als bedauerliche Tatsache, für irgendwelche Mythen aber sollte hier kein Platz sein.
Vorliegend legen der Autor und der Verlag wieder ein wunderbar gestaltetes Buch vor. Reichhaltig und ideenreich illustriert, mit einem Comic-Vorspann versehen und handwerklich vorbildlich gestaltet wartet ein Plot auf uns, der Erinnerungen an die besten Bücher des Meisters aufkommen lässt, leider aber nicht mehr. Dabei sind die Ingredienzien durchaus vorhanden. Anagramme, philosophische Gedanken, tiefe Charakterstudien und liebevolle Phantasien, alles fließt in den Text mit ein.
Insbesondere bei großen Dialog zwischen Buchling und Drache fließt der Orm wieder, schließt Moers hier doch hier an alte Beispiele an. Dass das Buch lediglich gut 160 Seiten hat – ergo eher eine Novelle, als ein Roman vorliegt – ist zum Einen zu begrüssen, zwingt die Kürze den Autor doch sich auf das Wesentliche zu konzentrieren, zum Anderen wird die Erwartungshaltung der Fans natürlich nicht erfüllt.
Viele Leser sind enttäuscht, verreißen das Werk im Bausch und Bogen, ohne das sie die Stärken, und davon gibt es so Einige, zur Kenntnis nehmen. Der so oft vermisste Wortwitz ist nämlich da, nur eben nicht so dominant, wie in früheren Werken, die Illustrationen gehören zum Besten, was Moers seit Langen gezeichnet hat, Anspielungen und Anstöße gibt es auch satt. So zeigt uns das Buch einen Autor, der wieder auf dem Weg zu alter Größe ist, einen Verlag, der ein Buch vorlegt, das ideenreich und handwerklich vorbildlich aufgemacht ist und den Leser auf weitere Moers´sche Dichtkunst hoffen lässt.
Walter Moers: Der Bücherdrache.
Penguin Verlag, März 2019.
192 Seiten, Gebundene Ausgabe, 20,00 Euro.
Diese Rezension wurde verfasst von Carsten Kuhr.