Verena Dolovai: Dorf ohne Franz

Maria wächst mit ihren Brüdern Josef und Franz auf einem Bauernhof auf. Wir befinden uns in den 1960-er Jahren. Franz, das Nesthäkchen, ist der absolute Liebling der Mutter. Maria bekommt in dieser patriarchalisch geprägten Gesellschaft wenig Liebe und Fürsorge ab. Sie darf auch keine weiterführende Schule besuchen und keinen Beruf erlernen, weil sie ja ohnehin einmal heiraten wird. Für sie, die Stämmige, Kräftige, bleibt nur Toni, der erstgeborene Sohn des Wirtes, als Heiratskandidat über.

Alle anderen Mädchen gehen in die Stadt, wie die elegante Theresa, oder berechnen genau, wer ihnen von den Burschen ein gutes Leben bieten kann. Die gutmütige Maria heiratet Toni, der sich schnell als Quartalssäufer herausstellt und aus diesem Grund auch von seinem Vater das Wirtshaus nicht überschrieben bekommt. Lediglich die Einliegerwohnung wird Maria und ihm zugestanden. Den Betrieb übernimmt sein jüngerer Bruder Ferdinand, den eine (homoerotische) Freundschaft mit Marias Bruder Franz verbindet. Trotzdem nimmt Ferdinand Anna zur Frau.

Franz verlässt das Dorf. Ihm gelingt es, in der Ferne ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Toni geht keiner geregelten Arbeit nach und ist so gut wie immer betrunken. Maria arbeitet weiterhin auf dem Bauernhof ihres Bruders Josef und in der Wirtshausküche. Weil ihre Schwägerin am Herd und damit quasi in der ersten Reihe stehen will, darf sie nur abwaschen und nicht kochen. Die Pflege des krebskranken Schwiegervaters muss allerdings sie übernehmen. Lange bekommen Maria und Toni kein Kind. Dann endlich wird ihnen Lisa geschenkt und Maria ist das erste Mal in ihrem Leben glücklich.

Sachlich und schonungslos beschreibt Verena Dolovai das Leben der Bauerntochter Maria. Vieles schwebt zwischen den Zeilen. Es müssen Rollenmuster erfüllt werden und Erwartungen entsprochen. Persönliche Befindlichkeiten haben da keinen Platz. Schon gar nicht solche von Frauen. Auch wenn der Schluss für mich nur vage stimmig ist und ich versucht bin, ihn der Autorin nicht recht abzunehmen, ist „Dorf ohne Franz“ ein grandioses Buch.

Verena Dolovai: Dorf ohne Franz.
Septime Verlag, Februar 2024.
163 Seiten, Hardcover, 20,00 €.

Diese Rezension wurde verfasst von Karina Luger.

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