Everestgeschichten haben mich schon immer fasziniert. Tensing Norgay und Sir Edmund Hillary. Ich kann mich noch erinnern, dass bei den wenigen Büchern, die bei meinen Eltern damals standen, eines dabei war, dass hieß: Sturm auf den Thron der Götter. In der Nachfolge habe ich dann die Bücher von Reinhold Messner verschlungen, oder auch John Krakauers „In eisigen Höhen“ Eben solche Extremsituation, wie sie auch von Christoph Ransmayr, in „Die Schrecken des Eises und der Finsternis“ beschrieben werden. Genug davon. Aber extrem ist das neue Buch von Thomas Glavinic auch. Und bei der Titelauswahl „Das größere Wunder“ sind wir auch gleich im Thema: ein wunderliches Buch. Es gibt zwei Handlungsstränge. In beiden spielt Jonas die Hauptrolle, es geht um sein Leben. Immer. Der eine Handlungsstrang ist die Gegenwart und sie führt uns gleich in das Basislager einer Everest Expeditionen. Und da sind gleich mehrere Expeditionen, mit hunderten Gipfelverrückten, die auf den Aufstieg warten, quasi auf besseres Wetter, was ja im Himalaja nicht grad selbstverständlich ist. Dieser Teil des Romans wird umso langweiliger, je mehr das Buch zum Gipfel strebt. Endlose Husten – und Würge Attacken, quälen Jonas, das Leben in den Lagern unterhalb der Todeszone ist kein Zuckerschlecken. Aber die Beschreibungen ermüden. Man fragt sich dann ernsthaft, warum machen die das? Haben die kein Zuhause? So banal diese Frage hingeworfen ist, beschreibt sie doch das Problem von Jonas. Seine Rastlosigkeit ist der andere Handlungsstrang. Der Start in sein Leben wird gleich erschwert, weil seine Mutter nicht in der Lage ist, Jonas eben ein Leben zu bieten, welches man landläufig als normales Heranwachsen bezeichnet. Seine Mutter ist Alkoholikerin mit ständig wechselnden Männerbekanntschaften. Dazu kommt ein behinderter Zwillingsbruder von Jonas, was alles nicht leichter macht. Über Umwege und die Freundschaft zu seinem Freund Werner wird er von einem gewissen, unerschöpflich reichen, Picco, adoptiert. Werner und Jonas wachsen ohne jegliche Geldsorgen heran, sind zu klug für alle Schulen, und können mit dem Leben experimentieren. Ein Experiment geht schief und Werner stirbt früh. Jonas begibt sich auf eine seltsame und nahezu endlose Reise, die mit wunderlich noch weich formuliert ist. Das Bucht driftet auch hier und da ins Metaphorische. Eine Sonnenfinsternis spielt eine durchgehende Rolle, ebenso wie die bizarre Fähigkeit von Jonas, fast alle Sprachen der Welt zu verstehen und zu sprechen, als hätte man ihm ein Sprachmodem ins Hirn gepflanzt. Das Buch ist alles in allem schon faszinierend, aber oft hat man das Gefühl, dem Autor ist die Phantasie durchgegangen. Aber, warum nicht? Mir geht auch oft genug die Phantasie durch, und es ist gut so.
Thomas Glavinic: Das größere Wunder.
Hanser, August 2013.
528 Seiten, Gebundene Ausgabe, 22,90 Euro.
Diese Rezension wurde verfasst von Fred Ape.