Fast eine Bestseller-Garantie sind die Romane von Ferdinand von Schirach. Und verfilmt worden sind sie auch. „Tabu“ kann sich da nahtlos einreihen. Dieser neue Roman ist ein Meisterwerk – sprachlich und inhaltlich.
Schirach, sowohl Schriftsteller als auch Strafverteidiger, erzählt die Geschichte eines Künstlerlebens. Von Sebastian, den der vermeintliche Selbstmord des Vaters als Kind aus der Bahn geworfen hat und der in der ersten Hälfte des Romans haltlos durchs Leben irrt. Bis dahin ist das Buch die Erzählung eines Durchschnittslebens, danach wird es ein Krimi. – Gegliedert in drei Teile, die mit den Namen der drei Grundfarben Rot, Grün und Blau übertitelt sind.
Ein Fotograf ist aus Sebastian geworden, ein erfolgreicher Künstler, der auch Ausstellungen hat, für den die Kunst ein Rettungsanker ist. Später wird er eines Mordes beschuldigt. – Eines Mordes, zu dem es keine Leiche gibt. Die tote, junge Frau, die da gesucht wird, ist eine Fiktion, ein Kunstwerk, das Sebastian aus Fotos von sich, seiner Halbschwester und seiner Freundin Sofia in einer Videoinstallation zusammengesetzt hat.
Der 49-jährige Berliner erzählt das alles mit großer Leichtigkeit, einer poetischen Sprache, die über der Handlung zu schweben scheint. Kurze Sätze und kleine Kapitel-Häppchen gliedern die Erzählung von dem aus der Bahn geworfenen Leben von Sebastian und von Einsamkeit eines Künstlers und machen das Buch sehr gut lesbar.
Ferdinand von Schirach erzählt auch eine philosophische Geschichte über Wahrheit und Wirklichkeit. Die zentrale Frage des Romans ist „Was ist Schuld?“. Strafverteidiger Konrad Biegler, der Sebastian bei den Mordermittlungen zur Seite steht, beantwortet sie so: „Schuld – das ist der Mensch.“
Einen leicht lakonischen Ton hat – wie die vorherigen Romane des Bestseller-Autors – auch dieses Buch. Aber es ist ein Beweis dafür, dass literarische Meisterwerke auch in gerade, schnörkelloser, einfacher Sprache geschrieben sein können.
Ferdinand von Schirach: Tabu.
Piper, September 2013.
256 Seiten, Gebundene Ausgabe, 17,99 Euro.
Diese Rezension wurde verfasst von Julia Gaß.
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