Stephanie Wrobel: Willkommen in Wisewood

Sie ist eine missbrauchte Tochter, sie ist Lady Fearless. Sie hat etwas geschaffen und etwas vernichtet.

Natalie sucht ihre kleine Schwester Kit. Kit hat sich vor dem Leben auf eine Insel mit einer Kommune geflüchtet und doch hat sie Nat eine E-Mail geschrieben. Ist es ein Hilferuf? Nat macht sich auf den Weg auf die Insel, um sich selbst ein Bild zu machen. Was sie vorfindet, verwirrt sie, kein Körperkontakt, keine Elektronik und sagt ihr eigentlich jeder hier die Wahrheit, auch wenn alle behaupten, der reinen Wahrheit verpflichtet zu sein.

Stephanie Wrobel erzählt die Geschichte in mehreren Zeitebenen und aus drei Perspektiven: Nat, Kit und noch einer, von der nicht von Anfang an klar ist, wem sie gehört. Es erzählt ein Mädchen mit einem mehr als strengen Vater, der sie immer wieder vor Aufgaben stellt, für die es wichtige Punkte gibt. Weniger als 15 Punkte am Tag bedeutet, nicht schlafen gehen zu dürfen. Die Aufgaben können alles mögliche sinnvolle und sinnlose enthalten. Es kann einfach sein, wie ein Punkt für eine gute Note, aber auch fast unmöglich, wie 3 Minuten die Luft anhalten oder die eigene Schwester fast ertränken. Ihren innen Ausweg findet das Mädchen in der Zauberei, sie ist sogar recht erfolgreich mit Bühnenauftritten, bis ihr Vater es verbietet. Sie geht und aus der Bühnenzauberin wird mit den Jahren eine Frau, die dem Publikum Performances ihrer immer größer werdenden Furchtlosigkeit bietet. Bis sie ihr Ziel im Leben erkennt: den Menschen die völlige Furchtlosigkeit zu schenken, denn die Furcht vor dem Schmerz ist immer schlimmer aus der Schmerz selbst.

Natalie glaubt, dass ihre kleine Schwester sich auf eine Art Sekte eingelassen hat, und dass sie sie retten muss, wie immer. Aber Kit möchte sich auf die Insel einlassen, möchte so leben und endlich ihre Furcht und ihre Schuldgefühle überwinden. Muss sie gerettet werden? Kann sie gerettet werden?

„Willkommen in Wisewood“ hat mich von Anfang an in seinen Bann gezogen. Durch die dreigeteilte Perspektive kommt es immer wieder zu Cliffhangern, die Spannung bricht nie ab und man kann die verschiedenen Erzählstränge auch gut auseinanderhalten. In der ersten Hälfte hat ich der Gedanke an völlige Furchtlosigkeit noch fasziniert, danach haben mich die Methoden eher angewidert, aber das immer-mehr-wissen-wollen hat nie aufgehört. Dazu kommt, dass keine der Protagonisten ganz schwarz oder weiß ist, sie haben teilweise schlimmes getan, in ihren Augen und auch in denen der Gesellschaft, was einiges erklärt, aber nicht alles. Es geht um Traumata und deren Überwindung, um Freundschaft und Geschwisterliebe, um Folgen der Kindheit und um Irrtümer und falsche Abzweigungen.

Für mich war der Roman ein überraschender Pageturner, der auch zum Nachdenken anregt.

Stephanie Wrobel: Willkommen in Wisewood.
Aus dem Englischen übersetzt von Marie Rahn.
List, Juni 2022.
448 Seiten, Taschenbuch, 16,99 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Regina Lindemann.

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