Sonja Rüther: Feuertaufe 01: Geistkrieger

Stellen Sie sich eine Welt vor, in der ein wesentlicher Teil der Menschheit im Einklang mit der Natur lebt. Das soll aber beileibe nicht heißen, dass man dort auf die Technik verzichten würde. Doch man hat darauf geachtet, die Technik umweltverträglich zu entwickeln, immer wieder erfolgreich technische Innovationen mit der Natur zu verbinden. Eine solche Zivilisation hat naturgemäß einen ganz anderen Zugang zur astralen Ebene des Daseins.

Willkommen also in Nordamerika, einem Kontinent aber, der mit dem, was wir von den USA, Kanada und Mexiko kennen nichts gemein hat. Seitdem die Wikinger vor Jahrhunderten dort siedelten und Friedensläufer die Warnungen vor dem angreifenden weißen Mann unter den Stämmen verbreiteten, haben die Powtankaner es nicht nur verstanden, die Europäer an der Eroberung der Neuen Welt zu hindern, auch der technologische Vorsprung ihrer grünen Erfindungen hat dafür gesorgt, dass die vereinten Länder der Stämme als gelobtes Land für Kasketen und Wasicun herauskristallisiert haben.

Der Schotte Finnley war in seiner Heimat einer der besten Personenschützer des Landes. Dass er sich während eines Einsatzes in seine Schutzbefohlene, Tochter eines der einflussreichsten Klans der Ureinwohner verliebte und ihr in ihre Heimat folgte erweist sich als problematisch. Um vom Klan, vom einflussreichen Vater seiner Geliebten akzeptiert zu werden, braucht er einen Beruf. Seine Bewerbung bei den Ordnungshütern scheint aussichtslos, da er mit seiner impulsiven Art immer wieder in Fettnäpfen tappt. Und doch erhält er die Chance sich zu bewähren. Warum ihn sein neuer Chef aber ausgerechnet einer Spezialeinheit, die sich mit spirituellen Verbrechen befasst zuweist, bleibt ihm zunächst ein Rätsel. Dabei wird seine ungewöhnliche Art alles zu Hinterfragen dringend benötigt. Unbekannte scheinen Totems zu nutzen, um Menschen zu ermorden. Was mit einem Professor beginnt, erweist sich in der Folgezeit als veritabler Angriff auf das bestehende Machtgefüge. Während Finnley selbst akzeptieren muss, dass er ein Hüter ist, der im Einklang mit den Fenriswolf agiert, versucht der Strippenzieher hinter den Morden seinen Einfluss, seine Macht und seine spirituellen Gaben rücksichtslos auszuweiten – die Opfer nehmen zu und auch die Ermittlertruppe gerät ins Visier des Unbekannten …

Alternativwelt-Geschichten gibt es in der phantastischen Literatur zumindest gefühlt wie Sand am Meer. Und doch ist vorliegender Auftakt einer neuen Reihe etwas Besonderes. Sonja Rüther gelingt es in ihrem Roman nicht nur uns einen faszinierenden Kriminalplot vorzustellen, sie schafft auch den Spagat zwischen Unterhaltung und Tiefgang und, und dies ist beileibe nicht unwichtig, sie präsentiert uns eine Bühne, wie ich sie bislang noch nie gelesen habe.

Das Spiel mit dem „was wäre wenn“ die Eroberung der Neuen Welt am entschiedenen Widerstand der Ureinwohner gescheitert wäre, wenn diese sich, ihren Traditionen folgend, zur technologisch beherrschenden Nation aufgeschwungen hätten, dient uns als Kulisse eines packenden Thrillers. Geschickt nutzt sie dabei den selbst im Land fremden Immigranten, um uns die Besonderheiten von Land und Leuten näher zu bringen. Er, der Zweifler, der der ungewohnten Kultur zunächst recht ablehnend und misstrauisch gegenüber steht, dient uns als Erzähler. Dass er selbst angefeindet wird, bringt die Themen Rassismus, Vorurteile und Migrationsproblematiken unauffällig aber doch präsent in den Roman ein. Dabei ist er als Weißer (Wasicun) ebenso suspekt und trifft auf Vorurteile, wie die dunkelhäutigen Immigranten (Kasketen) und die Chinesen.

Fasziniert folgte ich den Beschreibungen um die spirituellen Rituale, den Ermittlungen um die Morde und dem Versuch unseres Erzählers, sich hier einzubringen. Dass er dabei selbst von einer mächtigen Kraft auserwählt und genutzt wird, macht ihn als Protagonisten griffiger und bringt seine Nöte, sich mit der ihm fremden Kultur auseinander zu setzen und sein neues Selbst, seine neue Heimat anzunehmen ins Zentrum des Geschehens. Dabei läuft der Thrillerplot immer gleichberechtigt mit, verfolgen wir gebannt die Geschehnisse.

Die Figuren sind interessant und abwechslungsreich gezeichnet, einziges kleines Manko bleibt, dass wir von der faszinierenden Symbiose von Natur und Technik noch zu wenig erfahren. Die Beschreibung der grünen Technologie, des Zusammenlebens von Mensch und Natur hätte für meinen Geschmack ruhig noch ein wenig ausführlicher ausfallen können – ich hoffe, dass die Autoren diese Beschreibungen in den späteren Bände noch aufgreifen wird. Ansonsten Chapeau – das war richtig gut!

Sonja Rüther: Feuertaufe 01: Geistkrieger.
Knaur, Dezember 2021.
400 Seiten, Taschenbuch, 10,99 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Carsten Kuhr.

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