Alle sind sie miteinander verbunden, die Leben der Menschen aus dem fiktiven Ort Paulstadt. Aber: Es sind bereits gelebte Leben, denn die Personen um die es geht, sind allesamt tot.
Der Buchtitel „Das Feld“ entspringt dem Namen des Friedhofs von Paulstadt, dessen ältesten Teil die Einwohner so nennen, weil dort einst die Brache eines Viehbauern lag. – Ein Stück Land, das nicht gut genug für die Tiere war, für die Toten aber ausreichte.
Ein Mann fühlt sich den Verstorbenen nahe, wenn er den Friedhof besucht und sich dort auf die morsche Holzbank unter einer krummgewachsenen Birke setzt. Viele von den Verstorbenen hatte er gekannt. In seinen Erinnerungen lässt er Bilder der Toten aufleben, reimt sich in seiner Phantasie Geschichten über sie zusammen und glaubt, dadurch mit ihnen in Verbindung zu stehen. Ihre Stimmen (mit seiner eigenen 30 an der Zahl) geistern durch seine Gedanken und hauchen den Toten wieder Leben ein.
Es sind die unterschiedlichsten Menschen, um die es geht. Eine der Toten ist die Blumenhändlerin Gregorina, die zwei Wochen tot und unbemerkt in der Lagerkammer ihrer Blumenhandlung gelegen hatte.
Weitere Tote sind der Pfarrer von Paulstadt, der die Kirche in Brand gesetzt hatte, der Bürgermeister, der sich an seine Fehler erinnert, ein Glückspieler, dessen Spielsucht sein gesamtes Leben dominierte, eine Lehrerin mit einem körperlichen Makel, ein arabischer Obsthändler, ein Kind und weitere Paulstädter mit ihren Schicksalen.
In Seethalers Roman erleben die LerserInnen mit, was die Toten einst bewegt hat, wie ihre Leben ausgerichtet waren und letztlich, wie sie gestorben sind. Immer sind es nur Teilstücke ihres Lebens und ihr Lebensende, das sich uns erschließt. Für den jeweiligen Tod greift Seethaler verschiedene Varianten des Sterbens auf: den natürlichen Tod, Unfalltod, Tod durch Krankheit…
Wir lesen in ganz unterschiedlich langen Kapiteln davon, wie sich die Erinnerungen zusammensetzen. Was bedeutsam im Leben eines Menschen war. Welche Weichenstellungen sein Schicksal beeinflusst haben. Wie die Mitmenschen das eigene Leben reflektierten. Seethaler greift heraus, wie und wodurch die unterschiedlichen Lebensläufe geprägt wurden und wie alle einst untereinander verbunden waren. Die Unterschiede, wie jeder Einzelne seine Mitmenschen betrachtete, welche Bedeutung, welchen Status andere einnahmen, wird mit jeder Geschichte mehr verdeutlicht. Das vertieft einerseits, lässt aber auch manchmal in das vorangegangene Kapitel zurückblättern um besser verstehen zu können. Die voneinander abweichenden Sichtweisen auf das gelebte Leben vervollständigen letztlich die einzelnen Erinnerungen und runden die unterschiedlichen Leben ab.
Robert Seethaler: Das Feld.
Hanser, Juni 2018.
240 Seiten, Gebundene Ausgabe, 22,00 Euro.
Diese Rezension wurde verfasst von Annegret Glock.