Robert Kisch: Möbelhaus

robRobert Kisch ist das Pseudonym eines Journalisten, der (nach eigener Aussage) einmal zu den ganz großen gehört hat. Mit dem Sterben der Printmedien und den Einsparungen, die damit einhergingen, ist etwas geschehen, womit er niemals gerechnet hätte: Er verliert seinen festen Job und bekommt auch als freier Journalist keine Aufträge mehr. Aber die Familie will ernährt werden und so nimmt er einen Job als Verkäufer in einem Möbelhaus an. Damit gerät er direkt in den Vorhof der Hölle. Das System besteht darin, dass die Verkäufer – Verzeihung, die Einrichtungsfachberater – nur auf Provisionsbasis arbeiten. Das hat vor allem den Vorteil für den Arbeitgeber, dass sie sich gegenseitig zu übertrumpfen versuchen, sich auszustechen und um jeden Preis zu verkaufen. Denn nur Verkäufe bringen auch Ihnen Geld. In Kischs Möbelhaus ist es außerdem noch so, dass der Besitzer viel zu viele von diesen vermeintlich für ihn kostenlosen Verkäufern einstellt und so überhaupt keiner mehr auf einen halbwegs vernünftigen Schnitt kommen kann.

Das ist die eine Seite, die rein finanzielle. Die andere Seite ist aber viel interessanter. Was passiert mit einem ehemals freien, kreativen Journalisten, wenn man ihn in einen – zugegebenermaßen in diesem Fall besonders krassen – nine-to-five-Job zwingt (oder er sich selbst reinzwingt)? Der Blickwinkel war für mich interessant, weil ich zeit meines Lebens in einem nine-to-five-Job arbeite und vieles schon als selbstverständlich ansehe, vieles aber auch ähnlich wie Kisch empfinde. Die wichtigste Botschaft ist wohl – wenn auch nur sehr unterschwellig zu erkennen – der Job prägt uns mehr, als wir denken. Auch wenn Kisch immer wieder vom Aussteigen träumt, von dem Auftrag, der ihn zurück in den Journalismus bringt, so gewinnt man doch den Eindruck, dass er gar nicht mehr aussteigen kann. Irgendwie scheint er in der Zeit, die er in diesem Möbelhaus verbringt, mit diesem Job verwachsen zu sein. So sehr er auch betont, es ginge nicht anders, es wäre alles Mist in diesem Möbelhaus, so passt er sich doch zu einem gewissen Grad auch gewollt an – das war jedenfalls mein Leseeindruck. Es ist die Sicherheit des Einkommens, die ihn dort hält, und die er nicht mehr gegen die Unsicherheit des freien Journalisten tauschen möchte. Vorrangig ist es seine Frau, die ihn zwingt, aber schon während der ersten auftauchenden Diskussionen fragt man sich: „Das ist die Frau, mit der Du Dein Leben teilen willst? Wirklich? Wenn sie doch nicht mal merkt, wie unglücklich Du bist?“, aber auch er scheint diese Sicherheit unbedingt haben zu wollen. Da es keinen Bericht von ihm aus seinem Leben vor diesem Job gibt, ist schwer zu beurteilen, ob er bis zu einem gewissen Grad schon immer so war, oder ob er erst im Möbelhaus so geworden ist.

Kisch versucht in seinem Tatsachenbericht die beiden Welten „Normaljob, mit doofem Arbeitgeber und fixen Arbeitszeiten und fiesen Kunden“ und „Journalist, freie Zeiteinteilung, kreativ tätig und kann etwas bewirken“ gegenüberzustellen und theoretisch ist ihm das auch gelungen. Praktisch kann man es vermutlich nicht vergleichen.

Quasi nebenbei erfährt man auch noch einiges über die Methoden in Möbelhäusern und über die heutige Mentalität der Kunden. Das allein ist schon eine Reportage wert.

Robert Kisch: Möbelhaus.
Droemer, Februar 2015.
320 Seiten, Taschenbuch, 12,99 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Regina Lindemann.

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