Kian hat sein Journalismus-Studium abgeschlossen und ist nun auf Jobsuche. Leider gibt es Journalisten wie Sand am Meer und er ist langsam am Verzweifeln. Dann trifft er auf Hudson, gutaussehender Sohn einer wohlhabenden Familie – und sein Exfreund. Und obwohl Hudson Kian das Herz gebrochen hat, lässt er sich auf einen Deal ein: Er soll vortäuschen, dass sie sich noch immer in einer Beziehung befinden, solange Hudsons Eltern in der Stadt sind. Im Gegenzug wird ihm ein Treffen mit dem einflussreichen Chef einer Nachrichtenfirma versprochen. Für seine beruflichen Chancen (und auf keinen Fall, weil er noch Gefühle für den Ex hat) sagt Kian zu. Was kann da schon schiefgehen?
Doch die beiden verstricken sich immer weiter in den Lügen, bis sie sie selbst nicht mehr von der Wahrheit unterscheiden können.
Zuerst sei klargestellt, was an diesem Buch gut ist: Wir haben hier zwei Protagonisten, die schwul und schwarz sind, geschrieben von einem Autor der gleichen Identität. Die Barrieren, auf die man als solcher Mensch stößt, werden thematisiert und aufgedeckt, was wichtig und gut ist.
Alles andere ist leider einfach nur schlecht. Die Geschichte zieht sich untragbar mit irrelevanten Verläufen in die Länge, es gibt eigentlich keinen Anfang und kein Ende. Es ist unmöglich, eine Bindung zu einem der Charaktere aufzubauen. Wir erfahren nicht, warum Kian und Hudson sich getrennt haben und sie scheinen ehrlich gesagt auch nicht sonderlich gut zusammenzupassen. Da ist keine romantische oder sexuelle Anziehung, die beim Leser ankommt – warum also sollte man mitfiebern, ob sie letztendlich zusammenkommen? Und wenn man das nicht tut, ist eine auf fast 500 Seiten ausgedehnte Geschichte entsprechend qualvoll zu konsumieren.
Außerdem werden in jedem Kapitel mindestens zehn popkulturelle Vergleiche und Anspielungen gemacht, von denen ich persönlich ungefähr drei verstanden habe – bei einem 23-jährigen Protagonisten, der Geisteswissenschaften studiert hat und sich in der queeren Bubble bewegt, erachte ich mich selbst eigentlich als perfekte Zielgruppe. Wenn ich über die Hälfte der Anspielungen nicht verstehe, wer soll es dann tun?
Das Original hätte ein gutes Lektorat vertragen, denn es gibt viele Stellen, die umwerfend humorvoll geschrieben sind und einen Einblick in das bieten, was dieses Buch hätte sein können.
Dazu kommt leider eine grauenhafte Übersetzung. Die Übersetzerin ist laut ihrer Website vor allem auf leichte Liebesromane spezialisiert, aber dieses Buch ist viel mehr als das, auch wenn es auf den ersten Blick nicht so wirken mag. Die verwendete Sprache, der amerikanische Slang, ist schwer zu übersetzen und so zu übertragen, dass der Leser nicht auf jeder Seite mindestens zweimal durch grammatische Ungetüme oder inhaltliche Unstimmigkeiten rausgeworfen wird. Das hat hier leider nicht geklappt.
Generell fragt man sich, ob sich im Verlag niemand verantwortlich gefühlt hat, das Manuskript vor dem Druck zumindest einmal aufzuschlagen. Dass der erfolgreichste Disney-Film aller Zeiten hier „Die Schneekönigin“, nicht „Die Eiskönigin“ heißt, sagt eigentlich schon alles, was man wissen muss. Sicher, kein schlimmer Fehler, aber ein Fehler, der wirklich jedem Leser auffallen wird und einfach von der Ungenauigkeit zeugt, die sich durch die Übersetzung des gesamten Romans zieht.
Schweren Herzens kann ich für dieses Buch also keine Empfehlung aussprechen, denn Repräsentation allein reicht nun einmal nicht. Ich hoffe, dass es bald mehr Bücher dieser Art gibt, die weniger lieblos und profitorientiert auf den Markt geklatscht werden.
Kosoko Jackson: I´m So (Not) Over You.
Aus dem amerikanischen Englisch übersetzt von Anita Nirschl.
Everlove by Piper, Februar 2024.
480 Seiten, Taschenbuch, 15,00 Euro.
Diese Rezension wurde verfasst von Isabella M. Banger.