Kai Magnus Sting: Hömma, so isset!

Am Anfang war das Wort und die Bude, der Ort, wo Menschen ihr Pils trinken und sich austauschen.

„… , wie is denn?
Muss. Un selbs?
Muss, ne.
Ja, klar muss eben.
Kannz nicht klagen.
Nee, kannz nich.
Könnz klagen …“ (S. 21/22)

Der Kabarettist und Autor Kai Magnus Sting kommt aus dem Ruhrpott. Seine Liebeserklärung zu einem besonderen Menschenschlag, dem Ruhrpötti, liest sich wie eine Anekdotensammlung aus seiner Familie und den Menschen, denen er auf das Maul geschaut hat. In Dialogen kreiseln die Gedanken der Gesprächsteilnehmer umeinander herum, verwirbeln Grammatik und Logik, bis sie sich überraschenderweise gedanklich einig werden oder auch nicht. Die wichtigste Lektion des Autors: Nur falsch ist richtig, und richtig ist falsch.

Wie die Sprache im Detail funktioniert, erklärt Sting stets in Einschüben, damit der Nicht-Ruhrpötti alles nicht nur inhaltlich verfolgen kann. Stets ergeben sich neue Situationen voller Komik, die amüsieren oder zum Lachen einladen.

Ein Buch über den Ruhrpott kann nur funktionieren, wenn über die Sprache auch die Seele der Menschen deutlich wird. Dies gelingt Kai Magnus Sting in jeder Hinsicht. Der Autor erzählt im lockeren Ton über Ereignisse, erklärt sprachliche Besonderheiten auf Hochdeutsch und würzt diese mit amüsanten Fallbeispielen. Günter Rückerts Zeichnungen begleiten diese Situationen.

Das Spiel mit der Verknappung spiegelt ein ausgeklügeltes System wider, das so fein austariert ist, dass schon der Austausch eines Buchstabens eine neue Bedeutung und Gemütslage beschreibt. Aus dem fordernden »Mamma« (Mach mal!) wird je nach Bedarf auch ein „Mamima!“ (Mach mir mal!)

Wenn einer dem anderen Engstirnigkeit unterstellt oder fehlenden Verstand, könnte der Missmut so ausgedrückt werden: „… Hömma, hacktet?!“ „Ich bin donnich de ganze Zeit mitti Kacke hier am dran am Sein …!“ (S. 231)

Kai Magnus Sting bringt das Aneinander-vorbei-reden dort auf den Punkt, wo die Logik des einen mit der des anderen aufeinanderprallt.

Ob es nun um die wichtigste Institution des Austauschs von Informationen oder um Familiäres inklusive lukullischer Spezialitäten geht, alles wird freundlich durch den Kakao gezogen. Die Großmutter, de Omma, wegen ihrer körperlichen Fülle mit zwei m’s geschrieben, könnte der Auslöser des Buches „Hömma, so isset!“ gewesen sein. Ihre Sprüche und Weisheiten begleiten den Autoren ganz offensichtlich.

Auch wenn das Nichtwissen oder -wollen ein Kernthema zu sein scheint, erfährt der Leser dann doch ziemlich viel. „… Wir reden kurz un knackisch. Aufet Wesentliche reduziert, aufn Kern vonne Sache, also vonne Sprache.“ (S. 167)

Die Sprüche sind auf jeden Fall knackig und amüsieren.

Kai Magnus Sting: Hömma, so isset!.
Westend, August 2020.
240 Seiten, Taschenbuch, 18,00 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Sabine Bovenkerk-Müller.

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