„Die größte Herausforderung besteht darin, so viel zu retten, wie noch zu retten ist: so viele Bäume, Eisberge, Grade, Arten und Leben – bald, schnell und ohne Aufschub.“ (Seite 165)
Jonathan Safran Foer ist ein amerikanischer Autor, der vor einigen Jahren mit seinem Sachbuch ‚Tiere essen‘ bekannt wurde; einem eindringlichen Plädoyer für eine zumindest vegetarische Ernährungsweise. In seinem neuen Buch befasst er sich nun mit einem weiteren wichtigen und brandaktuellen Thema: der Klimakrise.
Die durch den Klimawandel drohenden Katastrophen sind nicht erst seit Greta Thunberg und der Fridays-for-Future-Bewegung bekannt. Bereits Al Gore machte Ende der 90er-Jahre mit ‚Eine unbequeme Wahrheit‘ auf diese uns alle betreffende Thematik aufmerksam. Die Zahl der Wissenschaftler, die die globale Erwärmung durch Untersuchungen belegt haben und immer wieder belegen, ist enorm. Zahlreiche Belege für den Klimawandel, wie Wirbelstürme und Flutkatastrophen, sind mittlerweile auch in den Nachrichten zu sehen. Und dennoch ist das Thema für die meisten Menschen nicht relevant.
Warum ist das so? Mit dieser Frage beschäftigt sich Jonathan Safran Foer unter anderem in seinem Buch. In zum Teil sehr persönlichen und sehr nachdenklich machenden Kapiteln geht er der Frage nach, warum das Problem des Klimawandels von vielen Menschen ignoriert oder sogar in Frage gestellt wird. Immerhin ist es ein Problem, das in den kommenden Jahrzehnten dafür sorgen wird, dass unsere Welt sich deutlich zum Negativen verändern wird.
Dennoch tun wir nichts dagegen. Foer sieht als Grund, dass der menschliche Geist für den Umgang mit einer derart abstrakten Problematik nicht gemacht ist. Die Krise ist für uns einfach nicht greifbar. Wir spüren sie nicht direkt am eigenen Körper. Sie löst keine wirkliche Angst in uns aus, wie es ein Löwe tun würde, der knurrend und hungrig vor uns steht.
Foer erzählt als Beispiel einer vergleichbar abstrakten Bedrohung vom Einmarsch der Nazis in die Heimat seiner Großmutter. Die damals zwanzigjährige war die einzige, die rechtzeitig floh. Ihre Eltern und ihre Schwester blieben zurück, da sie den Hof nicht im Stich lassen und sich nicht auf eine ungewisse Flucht begeben wollten. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass tatsächlich etwas Schreckliches passieren könnte. – Sie wurden von den Nazis umgebracht.
Foer führt weitere vergleichbare Beispiele an, die sehr nachdenklich machen. Ein Zitat von Oliver Burkeman (Seite 30): „Hätte eine Bande böser Psychologen … eine Krise ausgetüftelt, für deren Bewältigung die Menschheit hoffnungslos schlecht aufgestellt wäre, hätten sie nichts Besseres als den Klimawandel finden können.“
Ein Ziel von Foer ist es, die immense Bedrohung durch den Klimawandel in unser Bewusstsein zu bringen. Damit wir endlich begreifen, dass wir etwas tun müssen. Aber was könnte das sein? Welche Chance hat der Einzelne, wenn Staaten und Großkonzerne die Hände untätig in den Schoß legen?
Auch hierzu hat Foer eine eindeutige Antwort: Ja, jeder kann etwas tun. Wir werden den Klimawandel zwar nicht stoppen können. Dafür ist es schon zu spät. Aber wir können dafür sorgen, dass den Treibhauseffekt fördernde Gase wie CO2 und Methan in geringerer Menge ausgestoßen werden. Den Weg dahin sieht Foer nicht über technologische Neuerungen. Das würde viel zu lange dauern. Nein, er sieht einen einfachere Möglichkeit, mit der er auch an sein Buch ‚Tiere essen‘ anknüpft: Wir müssen in unserer Ernährung so weitgehend wie möglich auf tierische Produkte verzichten.
Die Nutztierhaltung ist einer der Hauptverursacher des Klimawandels. Laut Berechnungen des Worldwatch Instiute ist Nutzvieh für 51% der weltweiten Emissionen klimaschädlicher Gase verantwortlich (Seite 112). Würden wir also weniger Wert darauf legen, täglich unsere Portion Fleisch und Wurst zu essen, würden wir wenige Käse und Milch konsumieren, dann würden wir nicht nur etwas für unseren Planeten tun, sondern auch etwas für unsere Gesundheit.
Ich weiß nicht, wie ich dieses Buch beschreiben soll. Es war mir nicht möglich, es ‚einfach so‘ zu lesen, ohne immer wieder Pausen zu machen, um über das nachzudenken, was ich gerade gelesen hatte. Ich hatte immer wieder das Gefühl, als würde Foer direkt mit mir sprechen. Die Lektüre hat mich tief berührt und auch betroffen gemacht. Denn anders als andere Bücher zum Thema Klimaawandel bleibt Foer nicht auf der abstrakten Ebene. Er spricht den Leser direkt an. Er erklärt ihm die Problematik des Klimawandels und zeigt ihm auch auf, was er tun kann.
Ein ergreifendes und aufrüttelndes Buch. Ich finde es großartig, dass Dirk Rossmann kürzlich 25.000 Exemplare davon verschenkt hat. Ebenso wie er halte ich es für wichtig, dass Foers Buch von möglichst vielen Menschen gelesen wird. Leider habe ich nicht die finanziellen Mittel, ebenfalls 25.000 Exemplare zu verschenken. Daher kann ich nur empfehlen (und darum bitten), dieses Buch zu lesen. Ich denke, es ist eines der wichtigsten Bücher, die es im Moment gibt.
Jonathan Safran Foer: Wir sind das Klima!.
Kiepenheuer&Witsch, September 2019.
336 Seiten, Gebundene Ausgabe, 22,00 Euro.
Diese Rezension wurde verfasst von Christian Rautmann.