Bereits sechs Monate nach seinem vorigen Roman „Maschinen wie ich“ legt der renommierte britische Schriftsteller Ian McEwan schon sein nächstes, allerdings mit rund 130 Seiten recht kurzes Werk vor: „Die Kakerlake“.
In einer umgekehrten kafkaesken Verwandlung sieht sich eine Kakerlake eines Morgens „nach unruhigem Schlaf“ in einen Menschen verwandelt, bei dem es sich – zufällig oder nicht – um den englischen Premierminister handelt.
Sams gewöhnt sich schnell an sein neues Dasein und setzt künftig all seine Kraft in die Durchsetzung von etwas, das er „Reversalismus“ nennt, den umgekehrten Geldfluss: Wer arbeitet, muss dafür bezahlen, wer einkaufen geht, bekommt Geld.
So satirisch-bissig kommentiert Ian McEwan das derzeitige Brexit-Chaos um den britischen Premierminister Boris Johnson.
Jim Sams, so heißt McEwans Premierminister, stellt zu seiner großen Freude fest, dass auch die meisten anderen Kabinettsmitglieder verwandelte Kakerlaken sind. Jetzt gilt es nur noch diejenigen auszumerzen, die nicht dazugehören. Die vielleicht witzigste Stelle im Buch ist, wenn Sams den amerikanischen Präsidenten anruft und ihn fragt, ob er früher ebenfalls sechs Beine gehabt hat. Wie der reagiert, soll hier nicht verraten werden.
Als Sams spürt, dass seine Mehrheit für den Reversalismus zu schwanken beginnt, sorgt er mit einem äußerst fiesen Trick für Klarheit …
„Die Kakerlake“ ist unterhaltsam und witzig – auch wenn Briten diesen Roman womöglich noch spaßiger finden als Kontinental-Europäer.
Während die Sache mit dem verwandelten Ungeziefer recht schnell in den Hintergrund tritt, bietet die komplett widersinnige Theorie des Reversalismus später einiges an Humor.
Es ist jedoch ein Vorteil, dass dieser Roman so kurz ist. Nach 130 Seiten ist es dann auch genug mit den Kakerlaken in Regierungsverantwortung.
Ian McEwan: Die Kakerlake.
Diogenes, November 2019.
112 Seiten, Gebundene Ausgabe, 19,00 Euro.
Diese Rezension wurde verfasst von Andreas Schröter.