In LaBorde, Texas ticken die Uhren noch ein wenig anders, als in den großen Metropolen. Hier trennt eine scheinbar unüberbrückbare Kluft Schwarz von Weiß, Arm von Reich, Gebildet von Proletenhaft.
Rednecks sind hier genauso heimisch wie Nigger, beide leben oftmals nur von einer Straße getrennt, von der staatlichen Stütze, vom Dealen und der Prostitution.
In dieser Umgebung ist Leonard bei seinem Onkel aufgewachsen. Als Leonard dann sein Coming Out hatte, und sich zu seiner Homosexualität bekannte, wandt sich sein Onkel von ihm ab.
Nun ist der alte Schwarze gestorben, Leonard erbt das heruntergekommene Haus, 100.000 $ und eine Kinderleiche, die unter den Dielen versteckt war!
So sehr Leonard von seinem Onkel auch enttäuscht war, dass ihn dieser aufgrund seiner gleichgeschlechtlichen Neigung mied, ein Mörder, ein Kinderschänder war er bestimmt nicht.
So macht sich Leonard, natürlich tatkräftig unterstützt von seinem Freund Hap auf, das Rätsel um verschwundene, missbrauchte Kinder zu lösen …
Es gibt auch in Zeiten, da Bücher innerhalb von Tagen nach ihrer Erstveröffentlichung an Wert verlieren und gebraucht für einen Bruchteil ihres Preises gehandelt werden immer noch Titel, die hochpreislich daherkommen. Da werden gesuchte Taschenbücher schon einmal für 20 bis 30 Euro gehandelt, Angebot und Nachfrage regeln hier die Preisfindung.
Für vorliegenden, einst unter dem Titel „Texas Blues“ bei Rowohlt erschienen Roman, galt dies.
Um so besser, dass Golkonda nicht nur die noch nicht auf Deutsch erschienen Romane um das so ungleiche Duo auflegt, sondern auch die bislang erschienen Bücher neu herausgibt.
Vorliegend geht es weit mehr als im ersten Band um die Aufklärung von Geheimnissen. Unser so ungleiches Duo ist auf den Spuren der berühmten Detektive unterwegs, und dies wahrlich nicht schlecht.
In diesen Kriminalplot hat Lansdale einmal mehr seine Stärken eingebaut. In wenigen Worten zeichnet er markante Figuren, lässt in lakonischen Bemerkungen die Lebenseinstellungen der Südstaatler einfließen und verzückt durch seine sehr bewusst eingesetzte Sprache. Nicht umsonst wird die Saga um die ungleichen Freunde jetzt verfilmt und 2016 in die Kinos kommen.
Im Vergleich zum ersten Teil, aber auch zu den späteren Romanen, geht es fast schon geruhsam zu in Mucho Mojo. Allerdings übertreibt es der Autor mit seinen Schuldigen ein wenig – ohne hier zu sehr spoilern zu wollen, wäre(n) hier weniger mehr gewesen. Allerdings stört dies den Lesegenuss nur wenig.
Dem Leser erschließt sich im Vorbeigehen das Bild einer Gesellschaft, die strikt geteilt ist. Da sind die Abgrenzungen zwischen Denen, die etwas haben, sei es Geld, Macht oder auch nur einen regelmäßigen Job und Denen, die in den Tag hinein vegetieren. Da gibt es, schlimmer denn je, die Rassentrennung, die aufkommenden Bandenkriege, die Ordnungsmacht, die längst kapituliert hat und ganze Viertel den dort herrschenden Warlords und Gangstern überlassen hat.
Das ist in seiner Alltäglichkeit, der ungeschminkten Ehrlichkeit überzeugend und erschreckend zugleich, bietet nicht nur die Kulisse für die Handlung, sondern hält den Lesern einen Spiegel vor Augen. Dies sind Zustände, in denen Extremismus in jeglicher Form und Ausbildung gedeiht, in der die Perspektivlosigkeit breiter Massen den Nährboden für Gewalt bildet unter der, wie immer, als allererste die Schwachen zu leiden haben.
So ist dies nicht nur ein Buch, in dem der Leser spannend unterhalten wird, sondern auch eine Warnung, eine Reportage über Zustände, die gerne verleugnet werden, die aber zum US-Alltag gehören und Europa drohen, so die ständig sich vergrößernde Schere zwischen Arm und Reich auch bei uns nicht gestoppt wird.
Wer mehr von Hap und Leonard lesen möchte, dem darf ich nachfolgend kurz die deutschen Romane in chronologischer Reihenfolge auflisten:
1. Wilde Winter (Shayol / Golkonda)
2. Texas Blues / Mucho Mojo (Rowohlt / Goldkonda)
3. Mambo mit zwei Bären (Rohwolt)
4. Schlechtes Chilli (Dumont)
5. Rumble Tumble (Shayol)
6. Machos und Macheten (Golkonda)
7. Das Dixie-Desaster (Golkonda)
Joe R. Lansdale: Mucho Mojo: Ein Hap & Leonard-Roman.
Golkonda Verlag, November 2015.
268 Seiten, Taschenbuch, 16,90 Euro.
Diese Rezension wurde verfasst von Carsten Kuhr.