Jean-Luc Bannalec: Bretonische Geheimnisse

„Die“ Bretagne gibt es nicht! Diese Wahrnehmung beschreibt der Autor, indem er die geheisvollen Seiten dieser, in der Tat, vielfältigen Landschaft zur Kulisse seines 7. Bandes erhebt. Der Titel ist selbsterklärend und mit bedacht gewählt zumal sich um den Autor selbst immer noch Geheimnisse ranken. Das Pseudonym ist enttarnt. Ein erstes bretonisches Geheimnis gelüftet: Jean-Luc Bannalec ist Jörg Bong, Literaturwissenschaftler und Geschäftsführer des S. Fischer Verlags. Ihm gelingt es zum siebten Mal, seiner persönlichen bretonischen Vorliebe im Genre eines Krimi´s Referenz zu erweisen.

Der Leser spürt sofort, dass der Autor selbst ein Stück seiner persönlichen Identität aus dieser Region bezieht. Darum ist es kein Zufall, dass die Reihe um Kommissar Dupin sehr erfolgreich ist und in weiten Teilen verfilmt wurde. Im Jahre 2016 wurde Bannalec mit einem bedeutenden Preis für seine literarischen Verdienste um die Bretagne geehrt. Immer wieder fördert er Typisches, Besonderes und Legendenhaft-Geheimnisvolles in seinen Kriminalfällen zutage. In seinem siebten Band fordert Bannalec sein Ermittlerteam heraus, sich einer besonderen Legende an einem geheimnisvollen Ort zu stellen.

In der Bretagne wird man leicht selbst Teil der Geschichte. Dies erfahren die Polizisten gleich zu Beginn ihres Betriebsausflugs. Im sagenumwobenen Wald von Paimpont, der im „Tal ohne Wiederkehr“, das im Herzen der Bretagne liegt, wird Dupin mit einer ersten Leiche konfrontiert. Der Ausflug war so arrangiert, dass der Kommissar, so ganz nebenbei, einen aufgeschobenen „Rest“ aus seinem sechsten Fall erledigen konnte. Seine Assistentin Nolwenn und die Inspektoren Kadeg und Riwal wollten sich derweil schon mal mit der Artus-Legende, die sich in dieser Gegend verortet, beschäftigen. Dies bedeutete, sich nicht nur auf die zauberhafte Landschaft der inneren Bretagne einzulassen, sondern sich zu öffnen für Zauberer, Feen und für König Artus und seiner Tafelrunde um den Heiligen Gral. Dupin selbst war skeptisch.

Erst als er zum Sonderermittler des Innenministeriums ernannt und mit weiteren Morden konfrontiert, selbst ein Teil der mysteriösen Geschichte dieses Waldes wird, ändert sich seine Skepsis. Er spürt: Die Legende lebt und tötet!

Wenn Wissenschaft nicht nur Wissen schafft, dann bilden Neid, Hass und Gewinnsucht den Nährboden für Mord und Totschlag. Die Ermittler erfahren dies, als sie auf Wissenschaftler treffen, die sich der Erforschung der Artus-Geschichte und ihrer Legenden verschrieben haben. Was also wissen die Forscher über die jüngsten Ausgrabungen und Funde im Artus-Wald? Welche Rolle spielt der Plan, einen Artus-Wald-Freizeitpark zu bauen? Korrumpiert die Ökonomie die Wissenschaft? Welchen Einfluss hat die Artus-Figur auf die bretonische Identität? Das Ermittlerteam, in dem Assistentin Nolwenn diesmal in besonderer Weise brilliert, steht angesichts der gewaltigen Zahl verübter Morde vor einer schier unlösbaren Aufgabe, die Inspektor Riwal so beschrieben hat: „Es ist nicht leicht etwas zu suchen und zu finden, wenn man nicht weiß, was es ist.“ Welches Geheimnis müssen die Polizisten lüften? Geht es etwa erneut um die Suche nach dem Heiligen Gral? Dupin läuft immer wieder vor eine Wand des Schweigens. Wird er einen Durchlass finden? Er muss!

Ein Kommissar auf dem steinigen Weg von Franzosen zum Bretonen. Auf diesen Weg wird der Leser, die Leserin geführt. Der Autor mutet ihm dabei eine Geschichte zu, die schnell an Dichte und Komplexität zunimmt. Die handelnden Charaktere werden authentisch beschrieben. Hier jedoch den Überblick zu behalten ist für die Leserschaft nicht immer ganz einfach. Auch die französischen Namen der entsprechenden Fakultäten, Institute und Verbände machen es dem deutschen Leser nicht leichter.

Dramaturgisch ist der Plott gut aufgebaut und spannend bis zum Schluss. Die Lage vor Ort spitz sich immer weiter zu. Auch die Inspektoren kommen nicht ungeschoren davon. Immer wieder treffen die Polizisten auf Menschen, die untereinander „eine Rechnung offen haben“. Immer wieder gibt es neue Hinweise. Immer wieder passiert etwas, was den Leser motiviert, weiter zu lesen.

Für Bretagne-Liebhaber ein Muss! Eindrücklich beschreibt Bannalec den Ort des Geschehens als Kulisse der Artus-Geschichte. Etwas schwierig nachzuvollziehen empfand ich die Motive, die sich in der steigenden Zahl der Morde verbargen. Die Bedeutung und ihre Zusammenhänge erschlossen sich mir nicht immer auf Anhieb. Als Krimi-Reihen-Leser habe ich aber gelernt, dass George Dupin es immer schafft, mir das Mordmotiv eindrücklich zu erschließen. Ein wenig Lesegeduld entschädigt für ein durchaus spannendes Lesevergnügen. Für mich stellt Dupin´s siebter Fall eine Steigerung dar, die mit dem achten Fall (der hoffentlich folgt!) nicht so leicht zu toppen ist. Aber das darf getrost ein bretonisches Geheimnis von Jean-Luc Bannalec bleiben.

Jean-Luc Bannalec: Bretonische Geheimnisse.
Kiepenheuer&Witsch, Juni 2018.
400 Seiten, Taschenbuch, 16,00 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Martin Simon.

 

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