Eine unbekannte Frau, die bewusstlos in einem Straßengraben in Turku gefunden worden ist und seitdem im Wachkoma liegt, wird im Krankenhaus ermordet. Der Täter hinterlässt Tränenspuren auf der Bettdecke der Patientin.
Ein Softwareberater wird in einem Hotel in Helsinki von einem Balkon im vierzehnten Stockwerk gestoßen. Der Mörder verschwindet unbemerkt.
Ein Politiker wird während eines Fotoshootings an einem belebten Strand durch eine explodierende Schnapsflasche getötet. Der Fotograf verschwindet unerkannt.
Ein an Parkinson erkrankter Gärtner wird von einem als Pfarrer verkleideten Mann in seinem Pflegeheim aufgesucht und stirbt später im Krankenhaus an einer Pilzvergiftung.
Ein Kaufhausdetektiv wird während seiner Arbeitszeit erstochen. Der Mörder kann das Geschäft unbehelligt verlassen.
Diese Fälle hängen zusammen, das spürt Kommissar Kimmo Joentaa schnell. Doch er kann sich nicht auf die Ermittlungen konzentrieren, weil Larissa, die Frau, mit der seit einiger Zeit zusammen wohnt, aus seinem Leben verschwunden ist. Er weiß nicht, wohin sie gegangen sein kann, er kennt den Grund ihres Verschwindens nicht, er weiß nicht einmal ihren richtigen Namen.
Doch Larissas Verschwinden und die Suche nach ihr führen den Kommissar schließlich auf die Spur des Mörders.
Der vierte Kimmo-Joentaa-Roman ist ein in gewohnter Weise raffiniert gestrickter Kriminalroman. Der Autor führt den Leser über lange Zeit gekonnt in die Irre durch die eingestreuten Tagebucheinträge einer unbekannten Person, in denen die Jahrzehnte zurückliegende Vergewaltigung einer jungen Frau durch vier Männer geschildert wird. Schnell wird klar, dass die Ereignisse in der Vergangenheit mit den Todesfällen in der Gegenwart zusammenhängen.
Doch dieses Buch ist mehr als ein gelungener Thriller. Jan Costin Wagner ist ein psychologisch ausgefeilter und komplexer Roman gelungen über Menschen, die in extreme Situationen geraten und an ihnen zu zerbrechen drohen.
Der melancholische Kommissar hat den Tod seiner Frau auch Jahre später nicht verwunden und wird bei seinen Ermittlungen im Krankenhaus von seinen Erinnerungen überwältigt. Die Frau, die sich Larissa nennt, arbeitet als Prostituierte und als Eisverkäuferin und trägt eine Traurigkeit mit sich, die vermutlich in einem traumatischen Erlebnis gründet. Ein Kollege Joentaas wird wegen seiner Wettsucht stationär im Krankenhaus behandelt und stürzt den Kommissar in einen Loyalitätskonflikt, weil er Joentaa um Geld für eine neue Wette anbettelt.
Warum die Personen so zerbrochen und depressiv sind, erfährt der Leser nicht. Jedes Detail, das über sie preisgegeben wird, wirft neue Fragen auf, die der Autor nicht beantwortet. Jan Costin Wagner psychologiert nicht und lässt seinen Figuren ihr Geheimnis.
Die düsteren Seelenzustände seiner Protagonisten schildert Wagner in meisterlich karger und effizienter Sprache. Kein Wort, keine Metapher ist zu viel und hierdurch schafft der Autor mit seiner Sprache einen Rhythmus und eine Spannung, die den Leser unweigerlich mitzieht.
Doch eine Gefahr seiner Kunstfertigkeit deutet sich in diesem vierten Band der Kimmo-Joentaa-Reihe bereits an: Jan Costin Wagners poetische Sprache droht sich in Chiffren zu verlieren, die der Leser nicht mehr zu entschlüsseln vermag.
Jan Costin Wagner: Das Licht in einem dunklen Haus.
Galiani, Juli 2011.
352 Seiten, Gebundene Ausgabe, 19,99 Euro.
Diese Rezension wurde verfasst von Martina Sprenger.