Die Menschheit war dabei, sich selbst auszurotten. Im Kampf um die Vorherrschaft auf der Erde und den wenigen Kolonien zwischen der Allianz der Vereinigten Amerikas und dem Asiatischen Direktorat fielen Atombomben auf New York und Detroit, der Mars, gerade terrageformt, wurde zum Schlachtfeld und auch im All wurde gekämpft. Selbstmordattentate waren an der Tagesordnung, die Menschen wuchsen in Not, Elend und Furcht auf. Als wäre dies noch nicht genug, stieß man im All auf die Krell und deren Bioschiffe – Aliens mit einem Haifischgebiss die im Kollektiv miteinander verbunden, die Menschen angreifen, wo sie nur können. In der Quarantänezone, einer Region astronomischer Abnormitäten schien stillschweigend ein Waffenstillstand vereinbart, dann aber stießen die menschlichen Soldaten auf das Relikt der Tönernen, einer seit Jahrtausenden aus dem All verschwundenen Hochkultur, die laut ersten Erkenntnissen mit den Krell im Krieg lag. Der Feind meines Feindes ist mein Freund heißt es so schön, doch wo sind die Tönernen abgeblieben?
Major Harris ist der Befehlshaber einer kleinen Spezialeinheit, die in Sims, geklonten Kunstkörpern, in den Einsatz entsandt wird. Während die Körper hinter der Front in Sicherheit sind, sollen die vom übertragenen Bewusstsein gesteuerten Sims die Drecksarbeit erledigen. Wenn diese getötet werden, wird das Bewusstsein einfach in den Körper zurückübertragen, der Soldat ist bereit für seinen nächsten Einsatz. Schon einmal, auf Helios, ging der Auftrag schief. Ein Relikt der Tönernen aber konnte Harris sichern, jetzt werden er und seine Kameraden gefragt, ob sie für einen neuen Auftrag bereitstehen.
Es soll in den Mahlstrom zum Damaskus Artefakt gehen, man hat Hinweise auf ein vielleicht noch funktionierendes Relikt der Tönernen. Harris, der auch auf der Suche nach seiner seit 8 Jahren im Mahlstrom verschollenen Frau ist, zögert nicht, den Auftrag anzunehmen. Sie finden das Artefakt, allerdings ist dies weit einsatzbereiter, als gedacht – wie sie durch eine Reihe von getöteten Sim-Körpern leidvoll erfahren müssen – und dann schlagen Verräter in den eigenen Reihen zu …
Military SF boomt. Quer durch alle Verlage wird der Markt von entsprechenden Veröffentlichungen förmlich überschwemmt, wobei so manches Mal nicht ganz klar ist, warum qualitativ bessere Serien vom Publikum nicht angenommen werden, während sich schwache Romane verkaufen wie frisch geschnittenes Brot.
Jamie Sawyers Lazarus Trilogie nimmt in der Flut der Veröffentlichungen einen besonderen Rang ein. Zwar gibt es auch hier militärische Hierarchien, wird in Verbänden und Spezialeinheiten gekämpft und gestorben, aber daneben verwöhnt uns der Autor mit einer durchdachten Bühne, die an beste Space Opera Zeiten anknüpft. Verschollene Rassen, deren Relikte seit Jahrtausenden auf ihre anorganischen Herren warten, Schwarmintelligenzien, ein Inner-Spezies-Krieg der gnadenlos geführt wird, Verrat und Forschung reichen sich die Hände. Im Zentrum steht dabei ein Mann, der vom Schicksal gepeinigt wurde und wird. Eine früh verstorbene Mutter, sein Vater, ein Soldat brachte sich selbst um, er und seine Schwester wuchsen in dem post-atomaren Detroit auf, die Schwester dann vom Direktorat hingeschlachtet – eine geschundene Kreatur.
Aufrecht hält ihn nur die Hoffnung, seine verschollene und in Unfrieden gegangene Frau zu finden und wiederzusehen und die Kameraden der Lazarus Legion. Ähnlich und doch wieder ganz anders als Richard Morgan in dessen Takeshi Kovacs Reihe erleben wir das gewaltsame Ableben unserer Protagonisten und ihre Rückkehr ins Leben mit. Es hat unzweifelhaft etwas Faszinierendes, wenn wir sowohl die Tode, als auch die anschließende Wiedergeburt in ihrem natürlichen Körper miterleben können. Diese Thematik nimmt im vorliegendem Roman noch eine weit größere Rolle ein, als bislang – mehr wird, der Spannung wegen nicht verraten.
Natürlich wird viel gekämpft, stehen die gewaltsamen Auseinandersetzungen im Zentrum des Buches. Aber auch das Damaskus Artefakt wird durchaus glaubwürdig als fremd und unbegreiflich dargestellt. Hier verbinden sich klassische Elemente der Space Opera mit der Military SF zu einem in sich packenden Ganzem. Dazu gesellen sich vielschichtige Helden, die leiden, die bluten und sterben – Frauen und Männer, denen wir gerne in den einmal nicht klinisch sterilen Kampf folgen.
Das ist moderne Space Opera wie sie sein soll, packend, rasant erzählt und überzeugend ausgestattet.
Jamie Sawyer: Die Lazarus-Legion.
Heyne, Januar 2017.
624 Seiten, Taschenbuch, 10,99 Euro.
Diese Rezension wurde verfasst von Carsten Kuhr.