Globale Marktwirtschaft, Wirtschaftskrieg, Marktanteile, Gewinnoptimierung. All diese Begriffe würden Anleger mit einem Konzern in Verbindung bringen. Wenn ein Land mit 1,3 Milliarden Einwohnern wie eine private Firma geführt wird und alle Ressourcen unter dem Gesichtspunkt der Gewinnmaximierung eingesetzt werden, könnte man schnell an einen globalen Beutezug denken, der jeden in irgendeiner Weise betrifft.
2010 besichtigten die Autoren Juan Pablo Cardenal und Heriberto Araújo zum Beispiel Costa Ricas spektakulärstes Geschenk, das von China finanziert worden ist. Ein malerisches Nationalstadion zu einem „sehr vernünftigen Preis von 89 Millionen Dollar“. 35.000 Zuschauer finden dort Platz. Den Außenbereich pflastern einheimische Arbeiter, tragen schwere Säcke und brechen Steine, während im Stadion chinesische Arbeiter für den achtfachen Lohn, geregelte Pausen und chinesisches Essen ihrer Arbeit nachgehen. Die chinesischen Arbeiter beklagen sich über die faulen Einheimischen. Einer dieser Einheimischen erklärt, die Chinesen würden so tun, als zahlten sie einen Lohn, und er würde so tun, als würde er arbeiten.
Weitere 30 Millionen Dollar in bar und 300 Millionen Dollar durch den Ankauf von Staatsanleihen fließen in Costa Ricas Staatskasse, damit Costa Rica seine Handelsbeziehungen mit Taiwan zu Gunsten von China abbricht. Die Nachbarländer folgen Costa Ricas Beispiel. Und in Taiwan verändert sich allmählich auch die Politik. Die Abwahl des „falschen“ Präsidenten und neue Handelsabkommen sollen aus dem „Gegner“ China einen „Freund“ machen.
Die Autoren haben sich für ihre Recherchen mächtig ins Zeug gelegt. Sie wurden neugierig, unter anderem weil China allein in Afrika 2.000 Kilometer Eisenbahnschienen, 3.000 Kilometer Straßen, Dutzende Fußballstadien, 160 Schulen und Krankenhäuser und 300 Dämme gebaut hatte. Aber auch in anderen Ländern auf anderen Kontinenten wurde China wirtschaftlich aktiv. Alles mit chinesischem Geld und überwiegend mit chinesischen Arbeitern. Dass dies nicht aus Nächstenliebe geschieht, dürfte auf der Hand liegen. Denn gigantische Mengen an Rohstoffen aller Art werden importiert, während die Wertschöpfung im eigenen Land stattfindet.
Für ihre Recherche stiegen die Autoren für zwei Jahre in 80 Flugzeuge, flogen 235.000 Kilometer, fuhren weitere 15.000 Kilometer auf gefährlichen Straßen, um sich an den seltsamsten Orten chinesische Aktivitäten anzusehen.
Wie konnte das einst abgeschottete China sein Image des „Armenhauses“ abstreifen? Warum vergibt China heute wie eine Weltbank Kredite an notdürftige Länder und mehrt seinen politischen Einfluss? Umfangreich und äußerst kenntnisreich zeigen die beiden Journalisten am Beispiel einzelner Chinesen den brutalen Existenzkampf, aber auch den Erfolg bestimmter chinesischer Firmen und Konzerne in den unterschiedlichsten Ländern. Alles betrachten sie im Kontext zu dem Ein-Parteien-Land China, das seine über 1,3 Milliarden Einwohner mit Rohstoffen, Nahrung und Arbeit versorgen muss.
Fazit: informativ, aufschlussreich, hochinteressant. Ein Buch, das man immer wieder lesen sollte.
J. Cardenal & H. Araújo: Der große Beutezug.
Hanser, Februar 2014.
390 Seiten, Gebundene Ausgabe, 24,90 Euro.
Diese Rezension wurde verfasst von Sabine Bovenkerk-Müller.